Am Montag flog der Rabbi ab
Mann brauste vorbei und verschwand um die Ecke. Dunkelhäutig, glatt rasiert, aber mit modischem langem Haar, auffallende, weit ausgestellte Hosen, die eng auf den Hüften saßen und von einem breiten, reich verzierten Gürtel gehalten wurden.
Der Rabbi wanderte weiter, zwar unsicher über die Richtung, jedoch nicht gewillt, eine der Frauen, die auf den Treppenstufen vor dem Haus saßen, zu fragen, da er nicht wusste, ob sie es vielleicht unpassend finden würden, von einem Fremden angesprochen zu werden. Schließlich kam er in eine breite Straße mit hohen, modernen Apartmenthäusern, die ihm bekannt schienen. An der nächsten Ecke sah er auf dem Straßenschild, dass er sich in der Jaffa Road befand, die zur King George Street führte. Er war jetzt müde und dankbar, ein kleines Café zu entdecken, wo er sich eine Weile ausruhen konnte.
Es war angenehm ruhig hier, zumindest um diese Zeit, und es gab einen Zeitungs- und Zeitschriftenständer mit französischen, deutschen und hebräischen Blättern. Nur wenige der kleinen Tische waren besetzt, und zwar von in ihre Zeitung vertieften Einzelpersonen. Der Rabbi bestellte sich eine Tasse Kaffee und holte sich dann eine Nachmittagszeitung vom Ständer.
Der Leitartikel befasste sich mit dem jüngsten Terrorakt, der Explosion einer Bombe in einem Wohnhaus in Rechavia, die sich vergangene Nacht ereignet hatte. Ein Mann war getötet worden, ein Professor für Agronomie an der Universität. Seine Frau und zwei Kinder waren dem gleichen Schicksal nur dadurch entgangen, dass sie die Nacht bei Verwandten in Haifa verbracht hatten. Offenbar hatten die Reporter keine Zeit gehabt, sich über das Opfer gründlich zu informieren; es wurde lediglich eine Kurzbiographie gegeben, wie man sie in den Archiven registriert, und dazu ein Foto aus der gleichen Quelle.
Auf einer der Innenseiten fand sich eine Skizze der Gegend. Als der Rabbi sie sah, fuhr er hoch. Der Vorfall hatte sich nur eine Straße von der Victory Street entfernt ereignet. Das musste es gewesen sein, was ihn mitten in der Nacht aufgeweckt hatte – der Lärm der Explosion!
Eine Regierungsstelle räumte ein, dass es sich wahrscheinlich um das Werk der CAT-Gruppe handle – Committee for Arab Triumph –, die vor ein paar Wochen auf dem Marktplatz in Jaffa einen Bombenanschlag verübt hatte, bei dem zwei Menschen getötet worden waren.
Damals hatte CAT die Polizei wenige Minuten vor der Explosion angerufen. Bei einer anderen Gelegenheit war ihr Anruf früh genug gekommen, oder ihr Sprengsatz hatte nicht planmäßig gezündet, sodass die Polizei die Bombe entdecken und entschärfen konnte. Diesmal hatte es jedoch keine telefonische Warnung gegeben.
Ein Foto zeigte einen kleinen, länglichen schwarzen Kasten aus Plastik, der wie ein Taschenradio aussah. Auf der einen Seite befand sich eine Skala, die herauszuziehen war und dann den Mechanismus in Gang setzte; ungefähr eine Stunde später explodierte die Sprengladung. Ein fett gedruckter Hinweis besagte, wer ein solches Gerät finde, könne die Explosion dadurch verhindern, dass er den Bolzen herunterdrücke. Damit sei es zwar nicht entschärft, sondern nur vorübergehend außer Funktion gesetzt, aber man könne es zumindest sicher zur nächsten Polizeistation bringen.
Der größte Teil der Zeitung beschäftigte sich mit dem Vorfall, und der Rabbi verschlang jede Zeile. Ein Sprengstoffexperte der Armee wurde zitiert, der sich geringschätzig über die Bombe äußerte: «Die Sprengkraft ist nicht sehr groß, und der Druck geht nur in eine Richtung.»
Ein Nachbar erklärte in einem Interview, seines Wissens habe das Opfer an etwas gearbeitet, das für arabische Bauern von großem Wert gewesen wäre.
Der Rabbi hängte die Zeitung wieder an den Ständer, bezahlte seinen Kaffee und ging. Er hatte seinen flüchtigen Impuls überwunden, nach Hause zu eilen und die Wohnung zu durchsuchen. Ob Miriam von der Explosion wusste und sich ängstigte? Sollte er ihr davon erzählen, falls sie keine Ahnung hatte? Doch dann machte er sich klar, dass sie bestimmt im Bilde war. Sie hatte mit Gittel im Supermarkt eingekauft. Die Leute redeten fraglos darüber, und auch wenn sie es auf Hebräisch taten, verstand Gittel es ja. Sie würde es Miriam sagen und sie notfalls beruhigen. Jetzt war es zwei Uhr, und die Menschen hasteten durch die Straßen, als ob sie alle zu spät dran wären für eine wichtige Verabredung. Die Geschäfte waren entweder geschlossen oder gerade dabei zu schließen,
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