Am Montag flog der Rabbi ab
Geschäftlich, Rabbi. Wir haben massenhaft Konferenzen auf der Latte, eine sicherlich mit dem Minister für industrielle Entwicklung, und dann schließen wir uns einer Gruppe an, die mit der Ministerpräsidentin zusammentrifft, aber das ist erst später in der Woche. Wahrscheinlich ist das nichts für Sie. Ich nehme an, Sie haben inzwischen die ganze Prominenz kennen gelernt …»
«Keineswegs.»
«Mal sehen, vielleicht kann ich Sie den Leuten vorstellen – nachdem ich sie kennen gelernt habe. So, und mir geht’s jetzt um Folgendes. Wir haben ein Taxi genommen, eben werden gerade unsere Sachen eingeladen, und wir zwitschern in ein paar Minuten los nach Jerusalem. Heute und morgen übernachten wir im King David. Dann fahren wir weiter nach Haifa. Wie wär’s, wenn wir uns treffen, und vielleicht könnten Sie uns die Stadt zeigen, die ganzen Sehenswürdigkeiten und so?»
«Nun, ein besonders guter Fremdenführer bin ich zwar nicht, aber ich würde mich freuen, Ihnen und Mr. Katz alles zu zeigen.»
«Also abgemacht, Rabbi.»
Sie trafen sich am nächsten Morgen in der Hotelhalle. Markevitch und Katz hatten gerade in der Cafeteria gefrühstückt, wollten aber gern noch eine Tasse Kaffee trinken. Und so saßen die drei Männer um einen Tisch und unterhielten sich über Barnard’s Crossing.
Markevitch bezeichnete Joe Katz scherzhaft als seinen stummen Teilhaber – «weil ich immer das Reden übernehmen muß». Während Markevitch groß, kräftig und überschwänglich war und sein breites Lächeln den kürbisähnlichen Kopf in zwei Hälften zu teilen schien, war Katz ein kleiner, ängstlicher Mann mit traurigen Augen und einem schüchternen Lächeln. Wenn Markevitch redete, saß Katz stumm da, nickte zu den Geistesblitzen seines Partners und zuckte mitunter zusammen, wenn er meinte, dieser habe eine Taktlosigkeit geäußert.
Die Stimme von Markevitch war weniger laut als vielmehr nie gedämpft. Ohne Rücksicht darauf, wo er sich befand, sprach er in normaler Lautstärke. In der Hotelhalle klang das, als rede er zu allen Gästen. So bekam jeder mit, dass die Mazurs sich scheiden ließen. Josiah Goldfarbs Sohn war wegen Besitzes von Rauschgift verhaftet worden. Familie Hirsh hatte ihr Eisenwarengeschäft in Lynn verkauft und zog nach Florida. Auf der Elin Street, unmittelbar vor dem Tempel, war eine neue Verkehrsampel angebracht worden; das sollte den Kindern, die zur Religionsschule gingen, mehr Sicherheit bieten. Lenny Epstein hatte dem Schulfonds tausend Dollar zugesagt.
Endlich gelang es dem Rabbi zu fragen: «Und wie kommt Rabbi Deutch zurecht?»
«Ach», erklärte V. S. strahlend, «mit dem haben wir wirklich Massel gehabt, Rabbi. Als ich gehört hab, Sie nehmen Urlaub, hab ich gefürchtet, sie drehen uns so ’nen Knaben vom Seminar als Stellvertreter an. Und wenn nicht das, dann irgendeinen Schlemihl, der normalerweise keinen anständigen Job kriegen kann. Aber mit Rabbi Deutch haben Sie wirklich ’nen guten Griff getan. Und erst mit der Rabbitzin. Ganz große Klasse.»
«Ich habe ihn nicht ausgesucht», sagte der Rabbi. «Die Kommission hat ihn ausgewählt. Ich kannte ihn vorher gar nicht.»
«Was Sie nicht sagen! Ich dachte, Sie hätten ihn ausgewählt. Ich war auf dem Empfang, wenn Sie sich erinnern. Und wie ich euch beide mit den Deutchs wie Busenfreunde zusammen stehen und schwatzen sah und so weiter, da hab ich eben angenommen – na, jedenfalls ist er ein guter Mann. Ich meine, wenn er so am Pult steht» – er richtete sich auf und blickte in der Halle umher, um Rabbi Deutch am Rednerpult nachzuahmen – «und mit dieser Stimme, die er hat, eine Predigt hält, also da läuft einem manchmal direkt ’ne Gänsehaut über den Rücken. Ich hab natürlich nicht viel mit ihm zu tun gehabt, aber man hört ja, wie die Leute so reden, und die sind ganz schön beeindruckt, sogar die Gojim in der Stadt. Wissen Sie, dass sie ihn gebeten haben, im Library Committee zu fungieren? Also für einen Außenseiter … Und die Rabbitzin – wussten Sie, dass Dan Stedman ihr Bruder ist, der Kommentator vom Fernsehen, meine ich? Sie haben die Sache gleich in die Hand genommen, sowie sie in die Stadt kamen, und sie passen einfach prima rein.»
«Das ist aber nett. Er ist also glücklich in Barnard’s Crossing?»
«Dieselbe Frage hat V. S. Markevitch erst letzten Freitagabend beim Oneg Schabbat an Rabbi Deutch gestellt. Wir standen alle rum und tranken Tee, und V. S. Markevitch spaziert beschwingt zum Rabbi
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