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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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nicht so ist, wie er sich’s vorgestellt hat, trotzdem bleibt er, weil er immer denkt, vielleicht wird’s ein bisschen besser, vielleicht kriegt er allmählich doch die Zügel in die Hand. Dann kommt ’ne Zeit, wo er meint, vielleicht muss das so sein – vielleicht geht’s ein Jahr ein bisschen voran, im nächsten dann wieder ein bisschen zurück. Und dann muss er sich entscheiden, was er tut. Wenn er natürlich ein Typ wie Rabbi Hugo Deutch ist …»
    «Was hast du gegen Rabbi Deutch? Ich bin auf Rabbi Smalls Seite, aber ich muss zugeben, Rabbi Deutch ist ein guter Mann.» Er beugte sich vor, um den Motor anzulassen.
    «Rabbi Deutch ist ein guter amerikanischer Rabbi. Für das, was man von einem amerikanischen Rabbi erwartet, ist er einer der Besten, die ich weit und breit kenne. Er sieht angenehm aus, er redet angenehm, und er eckt nie bei den wichtigen Leuten an. Mag sein, dass ihm die gleichen Fragen im Kopf rumgingen, als er so alt war, wie Rabbi Small jetzt ist, und vermutlich hat er gefunden, es lohnt sich nicht zu kämpfen. Gibt er hier ein bisschen nach und da ein bisschen, kann er ein friedliches Leben haben.» Wasserman machte eine anschauliche Geste mit der blaugeäderten Hand. «Rabbi Small aber ist ein bisschen anders. Und eben davor hab ich Angst – dass er finden könnte, es lohnt sich nicht.»
    «Woher weißt du das alles, Jacob? Hat sich der Rabbi bei dir ausgesprochen?»
    «Nein, kein Wort hat er davon gesagt, und um meinen Rat hat er mich auch nicht gebeten. Aber was willst du – ich weiß es trotzdem. Ich wusste es schon, als ich hörte, dass er kein Geld von der Gemeinde nimmt, während er in Urlaub ist. Denn wenn er sein Gehalt annehmen würde, solange er nicht arbeitet – man könnte auch sagen, wenn er sich fürs Nichtstun bezahlen ließe –, dann würde er sich verpflichtet fühlen, zurückzukommen. Als er weder Geld noch einen Vertrag oder sonst irgendwas wollte, da hieß das eben, dass er nicht sicher war, ob er zurückkommt. Nicht sicher, verstehst du. Denn wäre er sicher gewesen, dass er nicht zurückkommt, dann hätte er einfach seinen Rücktritt eingereicht. Und das ist der Grund, wieso er uns noch nicht geschrieben hat. Weil er sich noch nicht entschieden hat.» Er sah Becker an. «Und nun sag mir eins – wie willst du das auf einer Ansichtskarte erklären?»

22
    Die Stimme war so laut, dass der Rabbi den Hörer etwas weghielt. «Rabbi? Schalom. Wetten, dass Sie nie erraten, wer am Apparat ist! Ich sag’s Ihnen – hier spricht S. Markevitch.»
    Vor seinem geistigen Auge sah der Rabbi seinen Gesprächspartner vor sich, wie er vor Zufriedenheit strahlte, weil er ihm eine so angenehme Überraschung bereiten konnte. V. S. Markevitch war darin groß. In Barnard’s Crossing pflegte er unangemeldet abends bei seinen Freunden oder Bekannten hereinzuschneien, und selbst wenn er merkte, dass sie ausgehen wollten, brachte ihn das keineswegs aus der Fassung. Im Gegenteil – er redete mit erhobener Stimme, damit die Dame des Hauses, die sich gerade im Schlafzimmer zurechtmachte, nur ja alles mitkriegte, was er ihrem Mann erzählte; der blieb aus purer Höflichkeit im Zimmer und zerrte verzweifelt an seiner Krawatte, die er ohne den Schlafzimmerspiegel nicht richtig binden konnte. V. S. Markevitch war stets fest davon überzeugt, dass sich die Leute freuten, ihn zu sehen.
    Gewöhnlich sprach er von sich in der dritten Person, benutzte nur selten das Pronomen und wiederholte den bombastischen vollen Namen so oft wie erforderlich. Er war nicht Mitglied im Gemeindevorstand, erschien jedoch ohne Hemmungen zu Sitzungen und Zusammenkünften der Bne-Briss-Loge , um seine Ansichten zum Besten zu geben. Er stand auf, sein runder, kahler Schädel leuchtete weithin, er grinste über beide Ohren und verkündete: «Mr. Chairman, V. S. Markevitch möchte etwas zu der Wortmeldung sagen.» Wurde dem stattgegeben, bombardierte er seine Zuhörer mit: «V. S. Markevitch ist der Meinung, dass …», und: «Nach der bescheidenen Auffassung von V. S. Markevitch …»
    «Wann sind Sie angekommen, Mr. Markevitch?», fragte der Rabbi.
    «Den Moment.» Die Stimme klang überrascht, als wolle sie damit ausdrücken, dass es für V. S. Markevitch undenkbar sei, aus welchen Gründen auch immer nach Israel zu kommen und nicht als allererstes seinen Rabbi anzurufen.
    «Sind Sie allein, Mr. Markevitch? Oder ist Ihre Frau mitgekommen? Machen Sie eine Rundreise?»
    «Ich bin nur mit Katz hier, meinem Partner.

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