Am Montag flog der Rabbi ab
rüber und sagt» – seine Stimme wurde geschäftsmäßig –,«‹Rabbi Deutch, wir sehen Sie gern hier, und wir finden alle, Sie machen Ihre Sache phantastisch, aber wie gefällt’s nun Ihnen bei uns?› Viele Leute sagen, V. S. Markevitch reißt immer sein Maul auf, aber er meint, wenn man nicht fragt, erfährt man auch nichts.»
«Und was hat er geantwortet?», erkundigte sich der Rabbi.
«Also jetzt sagen Sie mir selbst, Sie sind der Richter, ob’s ihm in Barnard’s Crossing gefällt. Er antwortet doch auf seine vornehme Art: ‹Eine hübsche, angenehme Stadt, Mr. Markevitch, und für mich hat sie außerdem noch den zusätzlichen Vorteil, dass sie nur eine halbe Autostunde von den großen Bibliotheken in Boston und Cambridge entfernt liegt.› Er ist nämlich ein großer Gelehrter, verstehen Sie. Na, was halten Sie nun davon? Gefällt es ihm, ja oder nein?»
Der Rabbi lächelte. «Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen, Mr. Markevitch.»
Plötzlich begann Markevitch heiser zu flüstern, was kein Dezibel leiser war als seine normale Lautstärke. «Es ist sogar davon die Rede, dass wir vielleicht jetzt groß genug sind, um uns zwei Rabbis zu leisten, und dass Rabbi Deutch vielleicht bereit wäre zu bleiben. Na, und was halten Sie davon?» Er lehnte sich zurück und sah den Rabbi seltsam an.
«Nun, ich sehe da einige Probleme, die …»
«Sicher, genau das hat Markevitch gesagt, als er zum ersten Mal davon hörte. Stimmt’s, Katz?» Er beugte sich wieder vor und fuhr vertraulich fort: «Rabbi Deutch ist der Ältere und Erfahrenere, also könnte er nicht der Assistent von Rabbi Small sein. Andererseits hatte Rabbi Small die Stellung als Erster, also wird ihm der Gedanke nicht schmecken, die Leiter runterzufallen und bei Rabbi Deutch die zweite Geige zu spielen, egal, wie alt und erfahren der ist.»
Katz zuckte zusammen und tippte seinen Partner an. «Bitte, Markevitch.»
Markevitch drehte sich um und starrte ihn an. «Was ist denn, Katz?» Dann wandte er sich wieder dem Rabbi zu. «Was ich sage, ist Folgendes – warum nicht zwei partnerschaftliche Rabbiner, beide gleichberechtigt und gleichgestellt, vor allem, wo’s so aussieht, als müssten wir zwei Gottesdienste abhalten, einen unten und einen im ersten Stock? Und wie ich die Sache sehe – wo alle unsere Festtage zwei Tage lang dauern, könnten sie doch abwechselnd den Gottesdienst oben übernehmen, der sowieso der wichtigere sein wird. Und sie könnten ja Kopf oder Adler werfen, wer zuerst drankommt. Was halten Sie davon, Rabbi?»
Rabbi Small spitzte den Mund. «Jedenfalls eine interessante Spekulation.»
Markevitch stieß seinen Partner mit dem Ellbogen an. «Na, was hab ich dir gesagt, Katz, wer nicht fragt, erfährt auch nichts. Rabbi Small ist interessiert. Überlegen Sie sich’s, Rabbi. Und wie wär’s jetzt mit ’ner Stadtbesichtigung?»
«Ich nehme an, Sie würden als Erstes gern die Klagemauer sehen?»
«Allerdings. Wir haben nämlich einen besonderen Grund dafür.» Er lächelte und zwinkerte seinem Kompagnon zu.
Sie nahmen ein Taxi. Markevitch saß in der Mitte und drehte sich während der kurzen Fahrt ständig von einer Seite zur anderen, um ja nichts zu verpassen. «Sieh dir das an, Katz, da draußen … jetzt ist’s vorbei. Es war ein … Was war das, Rabbi? … Ach, schau dir den alten Juden mit dem Bart an … He, das ist doch ein Araber, wie? Ich meine, wenn sie diese karierten schmattess um den Kopf tragen, dann sind’s Araber. Stimmt’s? … He, das muss irgendeine Kirche sein …» So ging es ununterbrochen, bis sie am Jaffa-Tor abgesetzt wurden; er stellte Fragen, ohne die Antwort abzuwarten, er wies auf alles hin, was er für ungewöhnlich hielt – Menschen, Gebäude, Schilder.
«Ich dachte mir, wir gehen diesen Weg, damit Sie Gelegenheit haben, die Altstadt zu sehen», erklärte der Rabbi.
Sie überquerten den Platz hinter dem Tor und näherten sich der überdachten Straße.
Katz wich zurück. «Sie meinen, wir sollen da durchgehen? Ist das denn sicher?»
«Na klar, Katz. Schau dir die zwei Mummelgreise mit den Barten an. Wenn die durchgehen können, wird’s wohl für uns auch sicher sein.»
Sie betraten die Straße. Markevitch gab seine Kommentare ohne Punkt und Komma. In seinen Worten äußerte sich weniger Erstaunen als vielmehr Ungläubigkeit. «Nun stell dir das vor, Katz, das ist eine Straße … Eine reguläre Straße ist das bei ihnen … Stell dir das vor … sieh dir die zwei Frauen mit dem
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