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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Jerusalem.
    Nachdem sie sich über die Bestellung schlüssig geworden waren, aßen sie und redeten dabei fast nichts. Als der Nachtisch und der Kaffee gebracht wurden, wagte Roy jedoch eine Bemerkung: «Ich hab dich gestern Abend angerufen. Sie sagten, du bist nach Tel Aviv gefahren.»
    Dan fragte sich, ob Roy deswegen verstimmt gewesen war. «Ja, ich war zwei Tage dort. Bob Chisholm hat ’ne kleine Party gegeben. Er ist der Leiter vom AP-Büro.» Roy schien das nicht zu interessieren. Trotzdem sprach Dan weiter, um das Schweigen irgendwie zu überbrücken. «Ich bin mit dem Sheruth gefahren und hab gleich nach der Ankunft im Sheraton angerufen, ob sie mir ein Zimmer für die Nacht geben könnten. Natürlich war alles besetzt wie üblich, aber ich hab Phil Bailen, den Direktor, erwischt, und er hat dann irgendwas gedeichselt. So konnte ich zwei Tage bleiben.»
    «Hm-m.»
    «Das ist schon ’ne Stadt. Unwahrscheinlich, wen man da alles trifft. Als ich spätabends nach der Party ins Hotel komme, wen sehe ich? Alfred Northcote. Er ist bei der BBC. Als ich vor ein paar Jahren in London stationiert war, hab ich in seiner Bude gewohnt, weil er damals gerade nach Spanien musste.»
    «Soso.»
    «Mich hat’s auch nicht überrascht. Stell dir vor, in der kurzen Zeit zwischen der Eintragung an der Rezeption und dem Betreten des Fahrstuhls hab ich drei verschiedene Bekannte getroffen. Ich hatte eben die Anmeldung unterschrieben, da entdeckt mich Colonel Girande. Ich hab ihn in Paris kennen gelernt – na, so vor sechs oder sieben Jahren. Und während wir noch schwatzen, kommt Bob Chisholm – der die Party gegeben hat – dazu. Und wie ich auf den Fahrstuhl warte, ruft jemand meinen Namen, ich dreh mich um – und wer ist’s? Olga Ripescu. Ich hab sie auf den ersten Blick erkannt und mich sogar an ihren Namen erinnert. Vor ein paar Jahren hab ich mal über das rumänische Ballett berichtet. Der größte Teil der Reportage drehte sich natürlich um die Primaballerina, den Choreographen und den Regisseur. Aber ich hab auch mit ein paar jungen Leuten gesprochen, die gerade erst engagiert worden waren, und zu denen gehörte auch Olga Ripescu. Na, sie ist mit der Truppe hier und jetzt selber Primaballerina. Und nach der langen Zeit hat sie sich an mich erinnert.»
    «Phantastisch!»
    Dan überhörte die Bemerkung, weil ihm nicht klar war, wie sie gemeint war. «Nächste Woche ist ’ne Party in der amerikanischen Botschaft», fuhr er fort. «Ich hab ’ne Einladung. Wenn du Lust hast, könnte ich für dich auch eine organisieren. Dabei gibt’s meistens massenhaft hübsche Mädchen aus den verschiedenen Dienststellen.»
    «Jüdische Mädchen?»
    «Die meisten schon.»
    «Verstehe. Du willst, dass ich jüdische Mädchen kennen lerne.»
    «Nach dem, was du mir so erzählt hast, wäre das vielleicht gar keine schlechte Idee», bemerkte sein Vater. «Ja, ich hätte es gern, wenn du ein paar jüdische Mädchen und Jungen kennen lernst.»
    «Das hab ich mir gedacht. Du verstehst also noch immer, mein Leben zu lenken», sagte er bitter.
    «Sind denn Väter nicht dazu da?» Dan war bemüht, die leichte Gesprächsnote beizubehalten.
    «Niemand hat das Recht, sich in das Leben eines anderen einzumischen. Ich bin ein Individuum, und ich habe das Recht, mein Leben so zu leben, wie ich will. Ich beabsichtige, mir meine Freunde selber auszusuchen und auch sonst mein eigener Herr zu sein.» Das kam mit leidenschaftlicher Vehemenz.
    «Hör mal, Roy, müssen wir denn jedes Mal streiten?»
    «Wenn du nicht versuchst, mich zu gängeln, ist alles bestens. Weiter will ich nichts, du sollst nur aufhören, mich zu gängeln.» Er stand auf. «Es ist spät und ich hab morgen die Prüfung.»
    In seinem Hotelzimmer ließ Dan Stedman den Abend Revue passieren. Was ist bloß mit den jungen Leuten los? Alles, was man sagt, legen sie auf ihre Weise aus. Wie redet man mit ihnen, damit sie zuhören und vernünftig und erwachsen darauf reagieren?
    Ihm fiel ein Satz aus einem Brief ein, den er am gleichen Morgen von seiner Schwester aus Barnard’s Crossing bekommen hatte. «… obwohl er über sechs Jahre hier war, war er nie sehr beliebt und hat keinen echten Rückhalt in der Gemeinde, die jungen Leute ausgenommen. Die meisten von ihnen sind noch unter zwanzig, aber sie scheinen ihn zu mögen – und sie haben kein Stimmrecht bei den Gemeindewahlen.»
    Er suchte in seiner Schreibtischschublade nach einem früheren Brief, in dem sie ihm Rabbi Smalls Adresse

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