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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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ist?»
    «Ihr junger Freund ist ein Witzbold», meinte der Mechaniker. «Meschugge ist er, weil seine Hirnwindungen eben so komisch funktionieren. Er hat Zores gehabt, aber das wird er Ihnen prompt selber erzählen. Wer hat schon keinen Zores, vor allem in diesem Land? Na, wenn schon – von Autos versteht er jedenfalls was, und ehrlich ist er garantiert. Verkauft er Ihnen einen Wagen, dann sagt er Ihnen auch genau, in welchem Zustand er ist, und das können Sie ihm genauso abkaufen.»
    «Gut, vielleicht rufe ich ihn an», sagte Stedman. «Haben Sie seine Telefonnummer?»
    «Er hat noch kein Telefon. Er ist nämlich gerade umgezogen. Im Vestibül des Hauses ist eine öffentliche Telefonzelle, direkt vor seiner Tür. Aber die Nummer weiß ich nicht. Vorher anrufen ist nicht nötig. Gehen Sie doch einfach hin. Er ist bestimmt da.»
    «Na, wenn er krank ist …»
    «Er hat ’ne Erkältung. Verlassen Sie sich auf mich, ihm macht das nichts.»
    «Na ja …»
    «Hier, schreiben Sie sich die Adresse auf. Mazel Tov Street Nummer eins. Ist ’ne neue Straße, geht von der Shalom Avenue ab. Die kennen Sie doch?»
    «Ja, Shalom Avenue kenne ich», bestätigte Stedman.
    «Und das ist ’ne neue Querstraße. Ein Apartmentblock. Sie können jederzeit zu ihm gehen – heute, morgen, übermorgen …»
    «Übermorgen ist Sabbat», meinte der Rabbi lächelnd.
    «Ach? Ihm ist das gleich.»
    «Gehen Sie hin?», fragte der Rabbi, als sie die Werkstatt verließen. «Ist das zu Fuß erreichbar?»
    «In Jerusalem ist alles zu Fuß erreichbar. Ich weiß nicht recht. Ich muss noch darüber nachdenken.»

25
    Für Miriam begann der Tag wie gewöhnlich, nur dass die Übelkeit am Morgen etwas heftiger als sonst auftrat und jedes Geräusch sie mehr als normal reizte: der Krach der Autos und Lastwagen, die knirschend herunterschalteten – ihr Haus lag auf einer leichten Anhöhe; das Mädchen gegenüber, das mit einem großen Rohrklopfer die über die Verandabrüstung gebreiteten Teppiche bearbeitete – anscheinend die einzige Art, wie man in Israel Teppiche sauber machte; das Mädchen in der Wohnung über ihnen, das eimerweise Wasser über den Steinfußboden kippte und es dann mit einem Gummischrubber verteilte, sodass es laut gurgelnd durch das Abflussrohr rann – vermutlich die einzige Art, Böden zu säubern –, während die Dame des Hauses bereits das Mittagessen vorbereitete, die Hauptmahlzeit des Tages; sie zerkleinerte etwas in einer Holzschüssel, wobei jede Bewegung des Hackmessers scheppernd von der Schüssel auf den Tisch, von diesem auf den Fußboden und schließlich auf die Decke in Miriams Wohnung weitergeleitet wurde – anscheinend die einzige Art, eine Mahlzeit vorzubereiten.
    Und weil es einer der Tage war, an denen ihr Mann sich für den Gang in die Synagoge entschlossen hatte, um die Morgengebete dort und nicht daheim zu sprechen, konnte sie sich nicht bei ihm ausweinen, und überdies konnte er ihr nicht helfen, Jonathan für die Schule fertig zu machen.
    Und auch Jonathan war nörglig gewesen. Normalerweise ging er mit seinem Busenfreund Shauli los; doch der war erkältet und fieberte leicht, sodass seine Mutter am Vorabend mitgeteilt hatte, er würde zu Hause bleiben. Daher quengelte Jonathan, seine Mutter solle ihn zur Schule begleiten. Sie hatte das abgelehnt, weil es nur einen Häuserblock weit war und er keine Straße überqueren musste. Schließlich war er allein abgezogen, allerdings nicht ohne Gejammer, was ihre Nervosität weiter verschlimmert hatte.
    Außerdem kostete es Zeit, kostbare Minuten, die sie dringend brauchte, um den Bus zu erreichen und pünktlich in der Frauenklinik zu sein, wo sie zum Arzt bestellt war.
    Dann rief Gittel aus Tel Aviv an.
    Gittel telefonierte häufig, meist hatte sie einen besonderen Grund – um mitzuteilen, dass sie einen Brief von Miriams Mutter bekommen hatte; um ihr ein Rezept zu geben, das sie ausprobiert und gut gefunden hatte; um zu sagen, dass sie ein bis zwei Stunden beruflich in Jerusalem zu tun hätte und komplizierte Abmachungen für eine Verabredung von wenigen Minuten zu treffen. An diesem Morgen jedoch rief sie lediglich an, um lange und gemütlich mit ihrer Nichte zu schwatzen, bevor sie zu arbeiten begann. Und als Miriam die Minuten entschwinden sah, erklärte sie in ihrer Verzweiflung, dass sie einen Termin im Krankenhaus habe und auflegen müsse. Sie erwähnte das Hospital in der Annahme, ihre Tante hätte keine andere Verabredung als hinreichend dringend

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