Am Montag flog der Rabbi ab
natürlich hätte ihn das sehr belastet und sein ganzes Leben durcheinander gebracht. Aber der Endeffekt war, dass ich Roy nur hin und wieder mal einen Tag gesehen habe. Ich versuchte, die Verbindung aufrechtzuerhalten – Briefe, Anrufe –, aber das war nicht dasselbe. Ich dachte, wenn wir beide hier allein sind, würden wir uns besser kennen lernen. Aber er ist kalt, distanziert. Ich komme einfach nicht an ihn heran. Manchmal glaube ich, er hat was gegen mich. Ob ich versuche, mich für seine Arbeit zu interessieren, für seine Probleme, ob ich mich bemühe, ihm einen Rat zu geben – er benimmt sich, als ob ich mich in seine Privatsachen einmische.»
«Wahrscheinlich tun Sie das.»
«Aber ich bin doch sein Vater.»
«Biologisch», sagte der Rabbi. «Ihr Sohn behandelt Sie als Fremden, weil Sie ein Fremder sind.»
Sie blieben am Randstein stehen und warteten, bis die Verkehrsampel auf Grün schaltete. Stedman nahm das Gespräch erst wieder auf, nachdem sie die Straße überquert hatten. «Aber was soll ich denn tun? Ich sehe, dass er alle möglichen blödsinnigen Dinge macht. Soll ich zusehen, wie er Fehler begeht, und mich nicht einmischen? Soweit ich herausbekommen kann, sind alle seine Freunde an der Universität Araber. Wenn ich ihm zu verstehen gebe, er soll sich mit einigen der jüdischen Studenten anfreunden, sein derzeitiger Umgang könnte unklug oder sogar gefährlich sein, dann wird er bloß wütend auf mich.»
«Genauso wären Sie wütend auf ihn, wenn er sich erlauben würde, Ihre Freunde zu kritisieren.»
«Das ist ein Unterschied.»
«Kein großer und in seinen Augen gar keiner.» Der Rabbi zuckte die Achseln.
«Also was wäre die Lösung?»
«Vielleicht gibt es keine, zumindest keine, wie Sie sie sich erhoffen. Wenn Sie ihn als Fremden nehmen, als einen jungen Mann, den Sie kennen gelernt, aber auf den Sie keinen Anspruch, kein Recht haben, könnten Sie nach einer Weile Freunde werden.»
Mit einer Geste bat Stedman den Rabbi um Verständnis. «Aber ich möchte ihm doch helfen. Ich möchte ihm helfen, sein Leben aufzubauen, ihn beeinflussen, ihn in die richtige Richtung lenken.»
«Nun ja, als Freund könnte Ihnen das gelingen.» Der Rabbi sah, dass Stedman enttäuscht war und seinen Rat wahrscheinlich nicht befolgen würde. Schweigend gingen sie einen Häuserblock weiter. Plötzlich packte ihn Stedman am Arm und zeigte nach vorn.
«Dort – das könnte die Lösung sein.»
Der Rabbi konnte nichts Ungewöhnliches entdecken.
«Das Schild: Memavet-Autovermittlung. Bei meiner Ankunft erzählte ich Roy, dass ich einen Wagen kaufen wollte, um im Land herumzufahren, und forderte ihn auf, mit mir zusammen einen auszusuchen. Wenn ich’s mir recht überlege, war er schwer davon begeistert.»
«Und Sie meinen, wenn Sie ein Auto haben, ist alles in Ordnung?»
«Rabbi, wenn Sie nicht wissen, was Autos für junge Leute bedeuten, kennen Sie sie nicht. Haben Sie was dagegen, wenn wir mal eben kurz reinschauen? Der Laden inseriert in den Zeitungen. Ich will nur sehen, was es für ein Geschäft ist und was für Wagen sie anzubieten haben.»
Es war eine Autowerkstatt. In einer Ecke am Fenster stand ein unordentlicher Schreibtisch mit einem Pappschild: MEMAVET-AUTOVERMITTLUNG. Ein älterer bärtiger Mechaniker kam auf sie zu.
«Mr. Memavet?»
Er deutete auf den Schreibtisch. «Memavet ist nicht da. Er ist krank – schon seit ein paar Tagen.»
«Ist das nicht sein Geschäft? Kann ich nicht vielleicht mit jemand anders sprechen?»
«Nein. Wir haben nichts mit Memavet zu tun. Er hat nur den Platz für den Schreibtisch gemietet.»
«Oh.» Stedman war enttäuscht.
«Sie wollten ihn wohl wegen ’nem Wagen sprechen? Kauf oder Verkauf?»
«Ich möchte einen kaufen, aber …»
«Also dann besuchen Sie ihn zu Hause», sagte der bärtige Mechaniker. «Da ist gar nichts bei. Manchmal bleibt er ein paar Tage daheim, auch wenn er gesund ist. Was er hier tut, kann er dort genauso machen, kommt aufs Gleiche raus.»
«Eigentlich hatte ich mir ja vorgestellt, ich schaue mir an, was er an Wagen vorrätig hat und …»
Der Mechaniker lachte. «Vorrätig hat er gar nichts. Er arbeitet ganz anders. Sie sagen ihm, was Sie wollen, und er bemüht sich, es ihnen zu beschaffen. Ein meschuggener alter Schaute; aber eins muss man ihm lassen – er versteht was von Autos, und Sie sind bei ihm bestimmt gut bedient.»
«In welcher Beziehung ist er meschugge?», fragte der Rabbi. «Weil man bei ihm gut bedient
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