Am Montag flog der Rabbi ab
Leila meint, vielleicht ist’s zu einfach. Vielleicht ist’s irgendeine Falle.»
«Weiber!», sagte Abdul verächtlich. «Dauernd machen sie sich Gedanken – um nichts und wieder nichts.»
«Nein, Abdul, Leila ist nicht so. Sie hat Köpfchen. Sie ist ebenso gut wie jeder Mann in der Bewegung. Aber Leila hat festgestellt, dass er in Tel Aviv im obersten Stock wohnte, obwohl seine Frau krank war und das Treppensteigen ihr schwer fiel. Warum nimmt er dann hier eine Parterrewohnung?»
«Weil seine Frau krank ist und das Treppensteigen ihr schwer fällt. Das hast du doch gerade eben erklärt», sagte Abdul. «Außerdem sind Wohnungen in Jerusalem nicht so leicht zu kriegen.»
«Aber er wurde doch herbeordert. Würde da nicht die Regierung dafür sorgen, dass er die Wohnung bekommt, die er haben will?»
«Die Regierung macht sich nicht mal die Mühe, Wohnungen für ihre wirklich großen Tiere, für Leiter der Ministerien, zu suchen, wenn sie hergeholt werden. Glaub mir, für ihn reißen die sich kein Bein aus. Wenn Leila sich darüber Gedanken macht, ist sie ein altes Waschweib. Benachrichtige den Schweizer, er soll das Ding bereithalten. Und überprüfen. Letztes Mal ist es zu früh losgegangen.»
«Da ist eine Stelle zwischen zwei Eingängen, wo er seinen Wagen parkt», fuhr Mahmud fort. «Er fährt direkt über den Gehsteig und parkt zwischen den Gebäuden. Da ist ein bisschen freier Platz. Der Schweizer kann was zurechtbasteln, das wir an seinem Wagen anbringen …»
«War das Leilas Idee?», fragte Abdul geringschätzig. «Eine großartige Idee! Bis spätabends warten, damit jeder das Öffnen und Schließen der Motorhaube hören kann. Nein, das Beste ist das reguläre Ding. Wenn wir’s platzieren, ist’s noch hell, und kein Mensch würde dran denken, dich auf der Straße anzuhalten und zu fragen, was du dort suchst.»
«In Ordnung, ich sag’s dem Schweizer.» Er trank einen Schluck Kaffee, und Abdul wandte sich wieder seinem Buch zu. Dann: «Leila macht sich Gedanken über den Amerikaner, mit dem du so befreundet bist.»
Abdul klappte das Buch zu und sah seinen Freund zum ersten Mal an. «Also Leila bildet sich jetzt ein, sie kann entscheiden, wer mein Freund ist und wer nicht? Ist sie mit dir einverstanden?»
«Aber Abdul – ein Amerikaner und Jude.»
«Ich hab meine Pläne für den Amerikaner.»
«Sie meint, vielleicht hat er Pläne für dich.»
«Roy?» Abdul warf den Kopf in den Nacken und lachte. «Sie glaubt, Roy könnte mich reinlegen?»
«Sie hat ihn mal in einem Restaurant mit einem älteren Mann gesehen. Beim Essen haben sie kein Wort miteinander gesprochen. Aber sie blieben sitzen, nachdem alle anderen gegangen waren. Sie tranken ihren Kaffee und schwiegen. Das sah verdächtig aus.»
«Sag Leila, sie soll aufhören, überall Agenten zu wittern. Das war sein Vater.»
«Nein, Abdul. Sie ist nämlich nach ein paar Minuten zurückgekommen und hat dem Kellner vorgeschwindelt, sie hätte wohl ihren Schal liegen lassen. Und da haben sich die beiden gestritten. Der Junge, dein Freund, hat dem anderen ganz schön grob die Meinung gegeigt. So würde kein Sohn mit seinem Vater reden.»
Abdul lächelte. «Du kennst die Amerikaner nicht.»
27
Der Rabbi traf sich mit ihm im King David. Stedman schüttelte ihm überschwänglich die Hand wie einem alten Freund, den er jahrelang nicht gesehen hatte. «Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass Sie gekommen sind, Rabbi. Ich hab Sie spontan angerufen, ohne darüber nachzudenken. Sonst hätte ich’s unterlassen – wegen des Sabbat.»
«Ich vermutete, dass Ihnen an meinem Kommen gelegen war. Übrigens läuft mein Sabbat anders ab, seit ich hier bin. Ich gehe nicht immer in die Synagoge.»
«Ach?»
«Ich gehe jetzt, wenn mir danach ist. In Amerika war’s mir zur Gewohnheit geworden, und das passt mir nicht.»
«Das wird es aber wieder, wenn Sie zurückgehen, oder?»
«Falls ich zurückgehe.»
Stedman wartete, und als der Rabbi nichts weiter sagte, hielt er es für besser, ihn nicht zu drängen. «Roy geht direkt zu dem Autohändler», sagte Dan, als sie sich auf den Weg machten. «Und ich dachte, das wäre eine gute Gelegenheit für Sie, ihn kennen zu lernen. Ich rief ihn an und erzählte ihm von unserem Besuch in der Werkstatt und dass ich vielleicht bei Memavet vorbeischauen würde. Also er war ganz hübsch aufgeregt. Er schlug vor, heute hinzugehen, und ich war einverstanden. Ich wollte ihn nicht enttäuschen. Hätte ich gesagt,
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