Am Montag flog der Rabbi ab
gerade er zum Opfer ausersehen worden war. Und nach einigen Tagen hatte es sich herausgestellt, dass er mit einer wichtigen Forschungsarbeit auf dem Landwirtschaftssektor befasst war, deren Ergebnis möglicherweise eine beachtliche Ertragssteigerung bei bestimmten Anbauarten zur Folge gehabt hätte. Die Zeitungen hatten keine präzisen Angaben gemacht; während eine fest behauptete, er habe sich mit der Erprobung eines neuen Wunderdüngemittels beschäftigt, berichtete eine andere ebenso apodiktisch, bei seinen Forschungen sei es um die Verwendung von Brackwasser gegangen, mit dem riesige Ödlandflächen kultiviert werden sollten. Jedenfalls wurde allgemein akzeptiert, dass er ein bedeutender Wissenschaftler war, dessen Tod einen schweren Schlag für Israel darstellte.
Memavet dagegen war keine wichtige Persönlichkeit und mit nichts befasst, das Israel helfen oder schaden konnte. Und das machte den Fall um so abscheulicher – ein ziel- und zweckloser Akt, bei dem sinnlos Menschenleben vernichtet wurden.
Andere Reaktionen galten der Ironie des Schicksals, die aus der Aussage des Arztes hervorging. Dr. Ben Ami hatte ihm unmittelbar vor der Explosion einen Hausbesuch abgestattet. Seine Aussage bei der Polizei wurde ausführlich in der Presse zitiert:
«Er war ein neuer Patient, der mich aus dem Kupat Cholim -Verzeichnis herausgesucht hatte, vermutlich weil ich in der Nähe wohne. Trotz des Sabbat hatte ich den ganzen Tag über mit Patienten zu tun. Krankheit macht nicht vor dem Sabbat halt, verstehen Sie. Aber ich konnte ihn noch einschieben, da ich in der nächsten Straße einen Hausbesuch machen musste und zu früh dran war. Ein reiner Glückszufall, dass ich ihn überhaupt sehen konnte. Ich kam kurz vor sieben hin. Als ich läutete, rief er, ich solle reinkommen, die Tür sei offen. Er hatte eine böse Bronchitis und nach seinen eigenen Angaben schon mehrere Nächte kaum geschlafen. Ich gab ihm etwas gegen den Hustenreiz und eine Spritze, damit er schlafen konnte. Ich sorgte dafür, dass er sich zu Bett legte, machte das Licht aus, schloss die Tür und ging mit der Absicht, am nächsten Morgen wiederzukommen. Aber offenbar ist er nicht sofort eingeschlafen. Er muss etwas später aufgestanden sein, um sich ein Glas Brandy aus der Flasche auf dem Sims im Wohnzimmer einzuschenken. Wäre er im Bett geblieben, würde er bestimmt heute noch leben. Denn die Hauptwirkung der Explosion fand im Wohnzimmer statt, während im Schlafzimmer nicht einmal das Fenster kaputtgegangen war.»
«Stell dir vor, er ruft den Arzt, der kommt auch sofort, behandelt ihn und sorgt sogar noch dafür, dass er ins Bett geht. Glaub mir, mein Arzt würde sich die Mühe nicht machen. Der sieht dich an, schreibt ein Rezept und haut ab. Mit ihm reden, ihm ein paar Fragen stellen? Ausgeschlossen, er ist viel zu beschäftigt. Fünf Minuten – mehr ist bei dem nicht drin. Und wo du das verschriebene Medikament am Sabbat herbekommst oder an anderen Tagen abends nach sieben, das interessiert ihn nicht. Und nach all dem steht nun der arme Teufel auf und will sich einen Drink einschenken – und peng!»
«Woher weiß man denn, dass er aufgestanden ist, um sich einen Drink zu holen?»
«Das stand in den Zeitungen. Ich hab’s in Harmaariv gelesen. Er hatte noch die Flasche in der Hand, als sie ihn gefunden haben. Wie man sich die Sache vorstellt, muss ihn die Wucht der Explosion gegen das Marmorsims im Wohnzimmer geschleudert haben. Also muss er in der Nähe gestanden haben. Schädelbruch.»
Kopfschütteln und eine Schweigeminute für die Vergänglichkeit des Menschen.
Anders dagegen dachte man in gewissen Cafés im Ostteil Jerusalems, in denen junge Araber Kaffee tranken, Karten spielten und hitzige politische Diskussionen führten und jeden Bericht über ein noch so triviales Unglück, das die Israelis betroffen hatte, mit großer Freude aufnahmen. Hier ergötzte man sich an einem Wortspiel, das überall die Runde machte: der Name des Opfers hätte Lamavet statt Memavet lauten sollen – das heißt «zum Tode» statt «vom Tode».
Natürlich übernahmen die Terroristen sofort die Verantwortung für den Anschlag. Al Fatah gab eine Erklärung ab: «Unsere tapferen Kommandos haben gezeigt, dass sie direkt in den Mittelpunkt des jüdischen Bollwerks eindringen können und dass kein in Palästina lebender Jude vor unserer Rache sicher ist. Wir werden nicht nachlassen, ehe nicht die Resolution der Vereinten Nationen erfüllt ist und den Palästinensern
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