Am Montag flog der Rabbi ab
Verwicklung herbeiführen, die dieser zu vermeiden suchte.
30
«He, wieso bist du denn so braun gebrannt, V. S.? Warst du in Florida, oder hast du dir ’ne Höhensonne gekauft?»
«Florida? Nein, Katz und ich waren in Israel.»
«In Israel? Mach keine Witze. Leute, V. S. war in Israel. Wann bist du zurückgekommen?»
«Vorgestern. Wir waren nur zehn Tage drüben – geschäftlich.»
Es war beim Frühstück der Bne-Briss-Loge am Sonntagvormittag. Die Mitglieder strömten noch herein, standen herum und begrüßten sich, während die Angehörigen des Komitees die runden Tische deckten – ganz anders als im Frauenverein, wo alles bereits am Vortag fertig gemacht wurde.
Man scharte sich um Markevitch. «Na, wie war’s dort, V S.?»
«Wie war das Wetter?»
«Haben Araber auf dich geschossen, V. S.?»
«Machst du ’ne Filiale in Israel auf, V. S.? Willst wohl einer von den internationalen Finanzmagnaten werden, wie?»
«Sag mir eins – sind die Leute beunruhigt? Haben sie Angst?»
«Angst?», legte Markevitch los. «Ich werd euch was sagen: Ihr könnt spazieren gehen, so viel ihr wollt, in jeder Stadt, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wir sind noch nach Mitternacht losgezogen, ich und Katz, und das durch dunkle Straßen, und es hat kein Hahn danach gekräht.»
«Und die Sehenswürdigkeiten? Wo bist du überall gewesen?»
«Also die meiste Zeit wurden wir von den Leuten vom Ministerium für industrielle Entwicklung betreut. Sie haben uns rumgeführt und uns mit ein paar großen Tieren von der Regierung bekannt gemacht. Das war vielleicht ’ne Reise, toll, sag ich euch.»
«Warst du in Jerusalem? Hast du den Rabbi gesehen?»
«Ja», sagte V. S., «wir haben ihn gesehen. Wir waren fast einen ganzen Tag mit ihm zusammen. Er hat uns rumgeführt.»
«Hat er euch das Davidsgrab gezeigt?»
«Und die Fenster von Chagall? Die hab ich mir seinerzeit als Erstes angesehen.»
«Im Hadassa-Krankenhaus warst du doch bestimmt, wie?»
«Ich hoffe, du warst im Mea Shearim. »
«Mich hat am meisten das Yad-Vashem-Museum beeindruckt. Warst du drin?»
Markevitch, bis über beide Ohren grinsend, drehte sich von einem Frager zum nächsten. Schließlich hob er zum Zeichen der Kapitulation die Hände. «Ehrlich gesagt, wir haben nicht eins davon gesehen. Ich sagte ja schon, der Rabbi hat uns rumgeführt. Er meinte, wir würden gern die Klagemauer besichtigen, und das stimmte ja auch. Und er hat uns durch die Altstadt geführt … na, das hätte weiß Gott nicht sein müssen. Wenn ihr mich fragt, ist das ein Haufen stinkender kleiner Gassen, weiter nichts. Und dann sind wir rüber zur Universität gegangen, und damit war der Tag ziemlich rum. Euch gesagt» – er senkte die Stimme zu einem weithin hörbaren Flüstern –, «für mich kennt der Rabbi nicht mal die Hälfte von dem, was ihr eben genannt habt.»
«Was? Ich hab gedacht, inzwischen kennt er jeden Winkel.»
Markevitch zuckte die Achseln. «Das haben wir auch gedacht. Ehrlich gesagt, das war einer der Gründe, warum wir ihn angerufen haben. Wir haben uns vorgestellt, er weiß, was man sich ansehen muss.»
«Vielleicht hat er einfach noch keine Zeit für Besichtigungen gehabt. Ich nehme an, er ist den ganzen Tag in der Universitätsbibliothek …»
«Machst du Witze?» Markevitch war voller Verachtung. «Als er mit uns hinging, hat er zugegeben, dass er vorher erst zweimal da war.»
«Na, was tut er denn dann dort?»
«Soweit wir feststellen konnten, faulenzt er einfach rum, macht vielleicht mal ’nen Spaziergang, trinkt irgendwo ’ne Tasse Kaffee – so auf die Tour.»
«Ich weiß ja, er ist nicht gerade eine Betriebsnudel, aber ich stell mir vor, in Jerusalem und so … sag mal, hat er was erwähnt, wann er zurückkommt?»
Markevitch schüttelte den Kopf. «Keine Silbe. Und das ist schon komisch, wenn man sich’s recht überlegt. Ich meine, man denkt doch, wenn man sich verabschiedet, nun sagt er so was wie: ‹Wir sehen uns ja bald in Barnard’s Crossing.› Aber kein Wort. Bloß auf Wiedersehen.»
«Worauf willst du hinaus, V. S.?»
«Na ja, ihr wisst doch … die Idee, von der ich auf unserer letzten Sitzung gesprochen habe … die Sache mit den zwei Rabbis. Also ich hab ihm deshalb mal etwas auf den Zahn gefühlt.»
«Ist das dein Ernst, V. S.?»
«Na klar. Ihr kennt doch meine Devise: Wer nicht fragt, erfährt nichts. Warum auch nicht? Vielleicht bin ich nicht der Vorstand, aber immerhin ein angesehenes Gemeindemitglied. Meine Beiträge
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