Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis
Gemeinden. Aber nicht ohne Preis. Die Verkündigung des Evangeliums kann nur über die Lippen von Menschen kommen, die sich bereitwillig mit den Menschen, denen sie dienen, identifizieren, ihre Sprache sprechen und ihre Lebenslasten mittragen. In solch eine Aufgabe kann nur Gott selbst hineinberufen, und wir müssen uns seines Rufes sicher sein. Wir brauchen aber mehr Menschen, die sich berufen lassen. Nehmt ihr mit mir zusammen diese Herausforderung an? Beten wir zusammen, dass der Herr der Ernte Arbeiter in sein Erntefeld sendet?«
Äußerlich war es ein feierlicher Anlass, der keines der üblichen Rituale vermissen ließ. Interviews mit der Presse, Blitzlichter, auch in der Heimat Zeitungsberichte über den »Jungen aus Leicester, der zum Bischof der Arktis gewählt wurde«. Jack ließ mit einem Schuss Humor alles über sich ergehen, gab sich würdevoll, diskret, sympathisch. Innerlich war er wieder dort, wo er sich am liebsten aufhielt: auf dem Erntefeld. Sein Stück dieses Erntefelds war mit einem Schlag um Tausende von Quadratkilometern größer geworden. Aber kein noch so hohes Kirchenamt konnte den Jäger, den Seefahrer, den Pionier der Wildnis in ihm ersticken. Sein Führungsstil hatte sich schon bewährt: Er spornte Menschen an und zog sie mit. Er zeigte ihnen, was in ihnen steckte. Seine Methode: ein humorvolles Augenzwinkern und hochgekrempelte Ärmel.
»Wo ist der Minihitak?«
»Den Minihitakpak, den Bischof, meint ihr. Mr Sperry ist kein Minihitak mehr, Freunde. Und jetzt gerade ist er irgendwo unter dem Haus«, grinste Geoffrey Dixon, der neue Missionar in Holman. Holman war eine der winzigen Schneehaussiedlungen, die Jack mit Hund und Schlitten jedes Jahr von Coppermine aus besucht hatte. Inzwischen war sie eine kleine Ortschaft mit einer Straße, einer Landebahn und Holzhütten geworden und hieß Ulukhaktuk.
»Was macht der Bischof unter dem Haus, Mr Dixon?«, lachte der ältere Inuit, der seinen alten Freund Mr Sperry begrüßen wollte.
»Er repariert gerade unsere Heizung. Die Rohre waren heute Morgen blockiert und das Haus eiskalt, als er ankam. Es war echt peinlich. Aber er scheint es lustig zu finden. Was wollt ihr von ihm?«
»Wahrscheinlich ein seelsorgerliches Gespräch oder Neuigkeiten aus dem Süden oder einfach eine Tasse Tee und Geplauder über die alte Zeit«, hatte Geoffrey gedacht, als er seine Gäste ins Haus hineingebeten hatte. Nichts dergleichen wollten sie.
»Wir haben Zahnweh, er soll uns die Zähne ziehen«, war die Antwort.
»Wie bitte? Alle? Habt ihr alle Zahnweh?«
Geoffrey blickte auf die drei kleinen Kinder, die mit von der Partie waren. Alle nickten.
Er wollte gerade mit dem Satz beginnen: »Aber ihr wisst, dass er inzwischen ein Bischof ist und keine Zeit mehr für solche Dinge hat«, dachte: »ach Quatsch«, und setzte Teewasser für seine Gäste auf. Nach weiterem Klopfen und Hämmern unter dem Haus erschien der Bischof der Arktis, zerzaust, verschwitzt und im Gesicht und an den Armen mit Öl verschmiert. Seine Inuit-Freunde begrüßten ihren alten Freund mit Freude.
Inzwischen hatte das Flugzeug den Schlitten ersetzt, die Versammlungen fanden in beheizten Holzräumen statt, das Fleisch wurde nicht mehr roh aufgetischt. Die Atmosphäre war aber dieselbe. Teerunden, Lachen, Geschichten, Andachten, Lieder, Abendmahl, bis in die späte Nacht hinein.
Der Strom von Besuchern riss nicht ab. Hier war der Bischof einfach Mr Sperry, ein gern gesehener Freund. Auch nach drei Jahren im Amt blickte er kurz und verwirrt um sich, wenn er mit »Ihre Exzellenz« oder »Bischof« angeredet wurde. Sein Bischofsgewand blieb meist im Kleiderschrank hängen.
Aber seine Missionare zu fragen, welche Fortschritte sie mit der Sprache machten, das vergaß Jack nie. In der Regel wartete er damit rücksichtsvoll, bis der kurze Besuch fast zu Ende, das Eis schon längst gebrochen und das Vertrauen herzlich und innig war.
»So, Geoffrey, die Notizen deiner letzten Predigt bitte.«
»Oh wei. Jack, ich hatte fast gehofft, du würdest es vergessen. Keiner von uns wird Inuinaktun jemals so fließend sprechen wie du.«
»Müsst ihr auch nicht«, grinste Jack und streckte seine Hand aus, um die Zettel in Empfang zu nehmen. In typischer Manier lehnte er sich in seinen Sessel zurück, schlug ein Bein über das andere, setzte seine Lesebrille auf die Nase und las leise und mit konzentriertem Blick, während er die Texte entzifferte, die er in der Hand hielt. Geoffrey wartete
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