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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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verschränkt, Augen geschlossen und gesagt: ›Und jetzt, mein Freund, erzähl mir deinen ganzen Kummer!‹ Wie kann man in dieser Stimmung von irgendwelchen Problemen erzählen?!«
    »Übrigens, Terry, ist Canon Dean Smith dabei?«
    »Bei der Synode? Ich nehme es an. Warum?«
    »Wenn er immer noch so gut gebaut ist wie letztes Jahr, hab ich gleich eine Idee, wie wir am Anfang das Eis brechen können und die geistlichen Herrschaften zum Lachen bringen. Sein Parka hängt immer am Eingang. Unübersehbar, weil er gleich zwei Haken in der Garderobe in Anspruch nimmt. Hör mal zu …«
    Die jährliche Zusammenkunft aller Kirchenführer der Arktis sollte feierlich mit dem Einzug des dritten Bischofs der Arktis beginnen. Eine Glocke erklang im voll besetzten Gemeindehaus in Yellowknife, um die Versammlung zur Ruhe zu rufen. Alle standen auf. Eine bedeutungsschwere Stille füllte den Raum, als die Tür aufging und eine seltsame Figur mit langsamem, feierlichem Schritt über die Schwelle trat. Es war nicht der erwartete Bischof in voller Montur und mit Insignien geschmückt. Sondern ein breiter, großer Parka, aus dessen Fellkragen nicht einer, sondern zwei Köpfe herausragten. Beide Gesichter blickten bitterernst vor sich hin. Unter dem Parka liefen in andächtigem Marschschritt nicht zwei, sondern vier Beine. Ein Arm hing jeweils an der Seite der weiten Jacke herunter und hielt eine Bibel. Es dauerte einige Sekunden, bis ein mutiges Mitglied der Versammlung seine Hand vor den Mund hielt, um ein zunehmendes Gekicher zu unterdrücken. Es dauerte ein paar weitere Sekunden, bis der ganze Saal in Lachkrämpfe ausbrach und Dean Smith brüllte: »Was macht ihr zwei Schlingel mit meinem Parka? Ich werde es euch heimzahlen…! Wartet nur ab!«
    Die Versammlung der Kirchenverantwortlichen, die mit einem Schuljungenstreich begann, endete mit der ernsten Anrede eines Generals, der seinen Soldaten Mut und Ausdauer zusprach.
    »Ein Überblick über meine letzten Reisen zeigt uns unglaubliche Herausforderungen, meine Freunde. Cambridge Bay zum Beispiel. Ich war am Ostersonntag dort. Die Menschen sind hungrig nach Gottes Wort und wollen dem Herrn dienen. In den Fünfzigerjahren bin ich mit dem Schlitten dorthin gereist. Mein Nachfolger Peter Bishop kommt hin und wieder dorthin, aber sie brauchen dringend feste Mitarbeiter. Nehmen wir Gjoa Haven. Der Reverend dort und seine Frau haben eine wichtige Führungsrolle übernommen, sowohl in der Kirche wie auch im Dorf. Spence Bay. Sie haben gute Laienmitarbeiter, aber schon wieder ein leeres Missionshaus.«
    Weitere Ortsnamen wurden aufgelistet. Coral Harbour, Rankin Inlet, Whale Cove, Eskimo Point, Coppermine, Holman, Resolute Bay, Pond Inlet, Pangnirtung, Mackenzie. Überall waren weitere Missionare, die dringend Hilfe brauchten. Ein »Erntefeld«, das gemäß den Worten des Herrn Jesus mehr als »reif« war: reif mit Menschen, die nichts lieber hören wollten als die gute Nachricht eines Herrn und Schöpfers, der seine mit Sünde verseuchte Welt nicht vergessen hat, sondern mit dem Angebot der Heilung, Vergebung und Wiederherstellung an die Tür eines jeden Menschen klopft.
    »Wer will gehen?«, beendete Jack seinen Appell. »Wer von euch sagt mit dem Propheten Jesaja: ›Hier bin ich, Herr, sende mich!‹? Das bedeutet: Müdigkeit und Selbstmitleid abzulegen, mit frischem Feuer im Herzen nach Hause zu gehen und in der Gemeinde, im Freundeskreis, in der Verwandtschaft andere Christen herauszufordern, dem Mandat des Herrn zu folgen und ›in alle Welt zu gehen, sie zu Jüngern zu machen und alles zu lehren, was der Meister befohlen hat‹!«
    Spontan erhob sich die ganze Versammlung von den Sitzen. Hier und da wurde eine Träne abgewischt. Dieses Mal Tränen der Rührung.
    »Heutzutage sagen wir nicht mehr ›Eskimo‹, sondern ›Inuit‹«, fuhr Jack fort, mit einem besonders stolzen Blick auf die einheimischen Missionare, die vor ihm saßen.
    »Nach so vielen Jahren in der Arktis macht mir nichts in dieser Welt größere Freude, als zu sehen, wie die Gesichter meiner Inuit-Freunde vor Freude strahlen, nachdem sie dem lebendigen Gott begegnet sind. Inuit bedeutet Mensch. Möge eure Geschichte, meine geliebten Eskimogeschwister, die Geschichte vieler Menschen dieser Welt werden, die Gott begegnen und, wie es in den Psalmen heißt, ›auf ihn blicken‹ und ›vor Freude strahlen‹!«

Wie die Geschichte weiterging
    Tatsächlich blieb das Strahlen eines Eskimos die einzige Belohnung, nach

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