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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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Kinder.
    Stattdessen erlitt er endlose Gemeinderatsitzungen mit hitzigen Diskussionen über die Farbe des neuen Altarteppichs oder Zwistigkeiten darüber, wie viel neue Gesangbücher kosten durften, persönliche Rangeleien um Gruppenleitungen und darum, wer mit welchem Recht welches Amt ausführen durfte. Unüberwindbare Spaltungen drohten bei nichtigen Fragen, und kollektives Beleidigtsein herrschte, wenn der Pfarrer sich nicht an diesem Treiben beteiligte. Die Zivilisation ließ grüßen. Auch die fromme. Jacks Definition für den Begriff »Lebensqualität« hatte sich in den Jahren in Coppermine grundlegend verändert. Die Trauerphase durchlitt Jack auch stellvertretend für ein ganzes Volk.
    »Was hältst du davon, Pfadfinder aus aller Welt nach Fort Smith einzuladen und ein riesiges Lager zu veranstalten, Johnny?«, fragte er seinen Sohn eines Tages. Keine Überredungskünste waren nötig, um Johnny sofort in den Plan einzuspannen.
    Ein bisschen Wildnis mit Nordarktis-Flair konnte man auch in Fort Smith nachbauen, um sich vom eigenen Heimweh abzulenken. Jack hatte sich mit Johnnys Hilfe bald nach seiner Ankunft an die Aufgabe gemacht, vor allem Jugendliche auf den Geschmack eines Lebens im Freien zu bringen. Er war überzeugt, dass physische Anstrengung verbunden mit einer Menge frischer Luft effektive Mittel gegen die Laster der modernen Gesellschaft waren. Ein Pfadfinderverein für Jungs war eines der Ergebnisse solcher Überlegungen. Betty gründete eine Gruppe für Mädchen.
    »Unser Werbeslogan, Dad: viel freies Land für eine Menge Zelte, gutes, zuverlässiges Sommerwetter, Menschen, die freundlich sind wie keine anderen auf dem ganzen Planeten. Klingt das gut, Dad?«
    Tatsächlich brachten Vater und Sohn es fertig, nicht weniger als 1 000 junge Pfadfinder aus aller Welt nach Fort Smith zu locken. Die Sonne strahlte, als das Lager aufgebaut wurde. Und zwölf Tage später schien die Sonne wieder, als abgebaut wurde. Dazwischen regnete es pausenlos, wie seit 50 Jahren nicht mehr, behaupteten die älteren Einwohner Fort Smiths.
    »Das mit dem zuverlässigen Sommerwetter lassen wir das nächste Mal weg, Dad«, zog Johnny nüchtern Bilanz. »Aber die Stimmung war trotzdem super, oder?«
    »Klar, Johnny. Und du weißt, wie es bei echten Pfadfindern und Arktisabenteurern ist: Es gibt kein falsches Wetter, nur falsche Kleidung. Das haben wir ihnen jetzt beigebracht und sie haben es uns geglaubt!«
    »Was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue treuen Menschen an …« Jacks Übersetzungsarbeit lief weiter. Treu der Anweisung des Apostels Paulus an seinen Nachfolger Timotheus setzte er alles daran, junge Missionare und Pastoren davon zu überzeugen, dass auch sie in der Lage waren, gute Gemeinden zu bauen und neue Mitarbeiter für die Arbeit unter den Inuit zu gewinnen. Die Bedingungen waren anders geworden als zu seiner eigenen Anfangszeit, die Herausforderungen aber blieben: die Sprache zu lernen und sich in eine fremde Kultur hineinzufinden.
    »Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was mehr Mut kostet«, sagte Jack einmal in einem Vortrag in Fort Smith, »auf einen Schlitten zu springen und in die große, gefährliche und einsame Leere zu fahren. Oder eine gebrochene Ehefrau zum Gericht zu begleiten, um ihr in ihrem Scheidungsprozess beizustehen. Oder trauernden Eltern beizustehen, deren Kinder Drogen und Alkohol zum Opfer gefallen sind. Ich vermute, solche Aufgaben sind genauso herausfordernd wie die Aufgaben, die damals auf mich warteten.«
    Auch die Weltbibelgesellschaft profitierte von Jacks Erkenntnissen und Erfahrungen bei der Übersetzung biblischer Schriften in andere bis dahin schriftlose Sprachen. Jack war überzeugter denn je, dass das Evangelium einheimische Kulturen nicht zerstörte, sondern ganz im Gegenteil das Beste der jeweiligen Kultur erhalten und ins beste Licht zu setzen vermochte. Denn dort, wo das Licht von Christus hereinbrach, hatten menschenverachtende Aspekte einer Kultur keinen Platz mehr. Seine Erfahrungen und Überzeugungen galten inzwischen als Vorbild für Missionsgesellschaften weltweit, die nach Wegen suchten, Menschen mit der Botschaft der Liebe Gottes zu erreichen.
    Jack war, ohne es jemals geplant zu haben, zu einem Multiplikator geworden.

In Amt und Würden
    »John Reginald Sperry, ein hochgewachsener Brite, der die zähe Schlichtheit des hohen Nordens nach Süden gebracht hat, wurde als dritter Bischof der größten Diözese der weltweiten

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