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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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wirkte jetzt älter, von Sorgen gezeichnet. Er humpelte, seit Kylar ihn kannte, aber er hatte noch nie zuvor einen Gehstock gebraucht.
    »Gibt es einen Ort, wo wir reden können, Graf Drake?« Kylar hinderte sich mit knapper Not daran, ihn Herr zu nennen.
    »Ja, ja natürlich. Warum nennt Ihr mich so? Ihr habt mich seit Jahren nicht mehr Graf Drake genannt.«
    »Ähm … Es ist eine Weile her. Wie seid Ihr herausgekommen?«
    Graf Drake blinzelte ihn an, und Kylar starrte auf seine Brust und hoffte, dass Durzos Blick dem von Graf Drake begegnete. »Seid Ihr wohlauf?«, erkundigte sich der Graf.
    Kylar saß ab, streckte die Hand aus und umklammerte das Handgelenk des Grafen. Der Mann, der die Geste erwiderte, fühlte sich real an, solide, wie Graf Drake sich immer angefühlt hatte. Er war ein Anker, und Kylar war hin und her gerissen zwischen dem Drang, ihm alles zu erzählen, und einer genauso starken Scham, die ihm sagte, er solle es nicht tun.
    Die Gefahr, mit Graf Drake zu reden, bestand darin, dass alles so klar wurde, wenn dieser Mann zuhörte. Entscheidungen, die so schwer erschienen waren, wurden plötzlich einfach. Irgendetwas in Kylar scheute davor zurück. Wenn Graf Drake
ihn wirklich kannte, würde er aufhören, ihn zu lieben. Ein Blutjunge hatte keine Freunde.
    Graf Drake führte ihn zu einem Zelt etwa in der Mitte des Lagers. Er setzte sich mit offenkundig steifem Bein auf einen Stuhl. »Es ist ein wenig zugig, aber wenn wir dann noch hier sind, werden wir es vor dem Einzug des Winters befestigen.«
    »Wir?«, fragte Kylar.
    Alle Freude wich aus den Augen des Grafen. »Meine Frau, Ilena und ich. Serah und Magdalyn haben es nicht - haben es nicht geschafft wegzukommen. Serah war eine der Trostfrauen. Wir haben gehört … Sie hat sich mit ihrem Bettlaken erhängt. Magdalyn ist entweder ebenfalls eine Trostfrau oder eine der Konkubinen des Gottkönigs, nach dem, was wir zuletzt gehört haben. Er räusperte sich. »Die meisten von ihnen halten nicht sehr lange durch.«
    Es war also wahr. Kylar hatte nicht gedacht, dass Jarl log, aber er hatte es auch nicht glauben können. »Es tut mir so leid«, sagte er. Worte waren vollkommen ungenügend. Trostfrau. Die grausamste, entwürdigendste Form der Sklaverei, wie Kylar wusste: Mit Magie steril gemacht, bekamen diese Frauen ein Zimmer in den khalidorischen Militäranlagen oder Kasernen, eine Annehmlichkeit für die Soldaten - eine Annehmlichkeit, die Dutzende Mal am Tag beansprucht wurde. Sein Magen krampfte sich zusammen.
    »Ja. Es ist eine … eine offene Wunde«, sagte Graf Drake mit aschgrauem Gesicht. »Unsere khalidorischen Brüder haben sich den schlimmsten Gelüsten überlassen. Bitte, kommt herein. Lasst uns über den Krieg reden, den wir gewinnen müssen.«
    Kylar trat ein, aber die Krämpfe in seinem Magen ließen nicht nach. Sie verstärkten sich noch. Als er Ilena Drake sah,
die jüngste Tochter des Grafen, die jetzt vierzehn war, zerschmetterte ihn diese Schuld beinahe. Gott, was, wenn sie auch sie gefangen hätten?
    »Könntest du uns etwas Ootai kochen?«, bat der Graf seine Tochter. »Ihr erinnert Euch an meine Tochter?«, fragte er Kylar.
    »Ilena, nicht wahr?« Ilena war immer sein Liebling gewesen. Sie hatte den hellen Teint und das weißblonde Haar ihrer Mutter und die Neigung ihres Vaters zur Schelmerei.
    »Ich freue mich, Euch kennenzulernen«, sagte das Mädchen höflich. Verdammt, sie wurde eine Dame. Wann war das geschehen?
    Kylar schaute wieder zum Grafen hinüber. »Nun, was ist Euer Titel oder Eure Position hier?«
    »Titel? Position?« Graf Drake lächelte und wirbelte seinen Gehstock auf der Spitze. »Terah Graesin hat Titel in dem Versuch verkauft, Familien auf die Rebellion einzuschwören. Aber wenn es darum geht, tatsächlich etwas zu erledigen, ist sie dankbar für meine Hilfe.«
    »Ihr macht Witze.«
    »Leider nicht. Das ist der Grund, warum wir noch hier sind - wie lange liegen der Staatsstreich und die Invasion jetzt zurück? Drei Monate? Sie hat nur kleine Plünderzüge gegen Vorratslinien und schlecht verteidigte Vorposten gestattet. Sie fürchtet, dass die Familien sich im Falle hoher Verluste von ihr zurückziehen und dem Gottkönig Gefolgschaft schwören werden.«
    »Das ist keine Art, einen Krieg zu gewinnen.«
    »Niemand weiß, wie man einen Krieg gegen Khalidor gewinnt. Seit Jahrzehnten hat niemand mehr erfolgreich gegen eine durch Hexer verstärkte Armee gekämpft«, erwiderte Graf
Drake. »Es gibt Berichte, nach

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