Am Rande wohnen die Wilden
sagte sie und blickte an ihm vorbei, »die häufig wechselnden Aufgaben im Subrat liegen dir nicht besonders.«
Er winkte ab. »Du mußt nicht zu mir sprechen wie zu einem Kind, das nicht weiß, was es will. >Bitte, Lester.. .<«, parodierte er sie. »Ich weiß sehr gut, was ich zu tun und zu lassen habe. Natürlich stimmt es, daß ich mich als Vorsitzender mit dem aus vielen Einzelgebieten zusammengesetzten Aufgabenbereich nicht übermäßig wohl fühle, ich würde in der Tat viel lieber ein kleineres Gebiet um so gründlicher und bis ins einzelne gehend bearbeiten, aber schließlich ist auch die Koordinierung dieser Gebiete wichtig und muß getan werden.«
Er stand auf und kam um den Tisch herum auf sie zu. Sie war verärgert über den scharfen Ton, den er angeschlagen hatte, und sie erinnerte sich, daß es immer so gewesen war, kurz bevor sie sich trennten. Wahrscheinlich fiel ihm die Trennung dadurch leichter. Vielleicht versuchte er sich selbst Mut zur Trennung zu machen, den Mut möglicherweise, den er nicht aufbringen würde, wenn sie ruhig miteinander sprächen.
Und doch verhielt es sich diesmal anders. Er setzte sich auf die Lehne ihres Sessels und legte den Arm um ihre Schultern. »Sei mir bitte nicht böse«, bat er, »ich habe diese Arbeit übernommen, und ich werde sie so lange weiterführen, bis man einen Besseren dafür auswählt.«
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Du weißt, daß man kaum einen Besseren finden wird als dich. Außerdem wird niemand auf die Idee kommen, nach einem anderen zu suchen. Du selbst tust auch eine Arbeit, die dir nicht behagt, gut und genau, auch wenn du nicht glücklich dabei bist. Du selbst mußt es sein, der sich dafür verwendet, versetzt zu werden.«
Sie redete und redete und wußte doch, daß es keinen Sinn hatte. Lester war nicht der Mann, der eine Stellung, die ihn in das Licht der Öffentlichkeit gebracht hatte, aufgab, auch dann nicht, wenn er sich mit ihr nie und nimmer wohl fühlte. Seine Eigenliebe würde sich dagegen sträuben, so lange. . ja, so lange, bis er an seiner Aufgabe zerbrach.
Ihre einzige Hoffnung war das Fernschreiben, das Fernschreiben Schesternjows. Sie wünschte den Etagenkellner herbei, fand, daß er sich viel zuviel Zeit lasse, und als er dann endlich erschien, klopfte ihr das Herz bis zum Halse.
Der Kellner stellte zwei langstielige Gläser auf den Tisch, goß ein wenig Wein ein, stellte die Flasche in einen silbernen Kübel mit Eis. Dann zog er die Tür hinter sich so leise zu, daß Karin unwillkürlich zum Korridor blickte, um festzustellen, ob er tatsächlich gegangen war.
Auf dem Tisch lag ein weißer Umschlag. Sie reckte den Hals und erkannte die vom Teleprinter abgenommenen Insignien des Regionalrates Nord.
Karin verdroß es, daß Lester, ohne das Schreiben zu beachten, den Wein probierte, einen Augenblick in die Luft starrte und dann erst umständlich Platz nahm. Es schien ihr, als täte er all das absichtlich, um sie auf die Folter zu spannen.
Er schob ihr ein halbgefülltes Glas hinüber, und erst dann öffnete er vorsichtig das Schreiben mit seinem Taschenmesser. Er tat es langsam und mit Bedacht.
Beim Lesen veränderte sich sein Gesicht ständig. Eben noch gespannt, nahm es erst einen erfreuten, dann erstaunten und schließlich einen verärgerten Ausdruck an. Dann warf er das Funktelegramm auf den Tisch und blickte sie lange und schweigend an.
»Lies bitte!« sagte er schließlich und deutete mit dem Kinn auf das Papier.
Sie hatte sich nicht geirrt. Das Schreiben stammte von Schesternjow persönlich. Er teilte Lester Sullivan in kurzen Worten mit, daß der Sekretär Aurelhomme mit neuen Aufgaben im Rahmen des Forschungsprogramms der Mornen beauftragt worden sei, und stellte ihm das damit frei gewordene Aufgabengebiet zur Verfügung. Es war weder eine Bitte noch eine Weisung, es war lediglich eine Darlegung der Situation.
Als sie wieder aufblickte, sah sie, daß Lester aufgestanden war und erregt im Zimmer auf und ab ging. »Was sagst du dazu?« fragte er und blickte hinaus auf die Bay. Sie sah seinen Rücken, die breiten Schultern, und sie sah, daß er die Hände in die Hosentaschen geschoben hatte, etwas, das er nie tat, wenn er sich selbst unter Kontrolle hatte.
Eigentlich hätte sie sich über das Telex freuen sollen. Das frei gewordene Arbeitsgebiet Aurelhommes paßte ungleich besser zu Lester als sein eigenes, aber etwas in seiner Haltung warnte sie vor zu früher Freude.
»Ich finde, daß wir Grund haben,
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