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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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selbst, torkelte über das Blatt und hielt schließlich wie erschöpft inne. Die Dame blinzelte ihr durch die Scheibe zu, riß das Blatt ab und reichte es über den Tisch.
    Unter dem von ihr selbst diktierten Text standen die Codezeichen des Rates und des Hotels, und dann ein einziger lakonischer Satz. »Wird sofort erledigt, viel Glück Schesternjow.«
    Kann rümpfte die Nase ein wenig, als sie die Unterschrift las. Es war ihr unangenehm, daß das Fernschreiben auf Schesternjows Tisch gelandet war, aber schließlich sagte sie sich, daß es einerlei war, ob der Vorsitzende oder Aurelhomme es war, der Lester informierte. Ihr Entschluß tat ihr ohnehin bereits lud.
    Als sie auf dem Weg zum Lift war, nun schon zum zweitenmal, entstand Lärm vor dem Eingang des Hotels. Autos fuhren die Auffahrt herauf und hielten mit quietschenden Bremsen, eine Schar von Leuten drängte durch die Glastüren, Kameras und Mikrofone in den Händen. Im Dämmerlicht der Vorhalle flammten Blitzlichter auf, grell und unerbittlich tauchten sie die müden Palmwedel an den Wänden für Bruchteile einer Sekunde in helles Licht. Durch die Menge der Reporter aber bahnten sich drei oder vier Männer mit bulligen Figuren und ernsten Gesichtern einen Weg. Man sah ihnen ihr Metier auf mindestens eine Meile Entfernung an. Ehemalige Boxer, heute Sparringspartner oder Betreuer. Sie hatten die Aufgabe, mit ihren breiten Schultern eine Gasse zu schaffen durch die Schar der Reporter, eine Gasse für ihren Star, für Rod Mahoney — und seinen Manager.

    Karin Bachfeld war erstaunt über den anderen Mahoney, den sie hier sah, einen Mann, der meisterhaft das Enfant terrible spielte. Den halblangen Trainingsmantel am Hals offen, die nackten Fäuste vor der Brust liegend, tänzelte er herein, hin und wieder mit den Schultern zuckend. Zuerst begriff sie nicht, wie er sich ausgerechnet in der Hotelhalle so zeigen konnte, aber dann ging ihr auf, daß es sich um ein Spektakel für die Reporter handelte. Als er sie sah, zuckte er nicht zusammen, sondern bezog sie sofort in seine Schau ein.
    »Hallo, Miss Blondy!« rief er und winkte ihr zu. Ein breites Lächeln entblößte seine tadellosen Zähne, und plötzlich war er fast wieder der sympathische Rod Mahoney. Er schüttelte ihr lachend die Hände, und wieder blitzten die Lichter der Reporter.
    Sie kam nicht dazu, auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln, denn in diesem Augenblick schob sich ein feister Kerl im Straßenanzug und mit im Genick sitzendem Hut zwischen sie, breitete die Arme aus, als wolle er Rod umarmen, und versuchte ihn zur Seite zu schieben. »Keine Interviews vor dem Kampf, Miss!« zischte er in völliger Verkennung der Situation.
    Einen Moment lang wollte Ärger in ihr aufsteigen, aber dann kam ihr die ganze Situation derart lächerlich vor, daß sie es vorzog, den ganzen Auftritt albern zu finden. Lachend wandte sie sich ab, sah aus den Augenwinkeln, wie Mahoney die Hand des Managers widerwillig von seinem Arm schüttelte, als er ihr aber nacheilen wollte, hatten ihn die drei Betreuer bereits wieder in die Mitte genommen.
    An der Tür stand ein dunkles, schlankes Mädchen in einem hübschen Sommerkleid, Betty Summer. Einer plötzlichen Eingebung folgend, ging Karin auf sie zu und hakte sich bei ihr ein. »Hallo, Miss Summer! Ärger mit Mahoney?« Sie bemühte sich um einen burschikosen Ton, da er ihr bei der schlanken Betty angebracht zu sein schien. Aber das Mädchen hatte sich verändert, seit sie es nicht mehr gesehen hatte.
    Betty zuckte resigniert die Schultern. »Ärger eigentlich nicht. Ich sehe ihn ja kaum noch. Er trainiert verbissen. Nur Training und Publicity. Für mich hat er kaum noch Zeit.«
    Karin blickte sich um. Die Boxer waren verschwunden, und die Reporter waren ihnen wie der Schweif eines Kometen gefolgt. Die Halle lag still und ruhig wie vor dem spektakulären Auftritt des Sportstars. »Kommen Sie, setzen wir uns einen Augenblick«, sagte sie, »vielleicht ist es gut, wenn wir uns ein wenig unterhalten.«
    Das Mädchen blickte sie groß an, zögerte einen Moment, als begreife sie das plötzliche Interesse Karins nicht, aber dann nickte sie und folgte ihr zu einer kleinen Sitzgruppe unter einer der Palmen an der Wand.
    Sie schwiegen lange, und Karin wartete, bis das Mädchen von sich aus sprechen würde. Sie hatte Zeit, viel Zeit. Erst morgen würde sie ihre Gruppe übernehmen.
    Und schließlich begann Betty zu erzählen. Zuerst stockend, dann zusammenhängender schilderte sie die

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