Am Rande wohnen die Wilden
hereinschwebende Düsenmaschine senkte zu gleicher Zeit Nase und Heck, knickte gleichsam hinter dem Cockpit zusammen. Die eng an den Rumpf angelegten Tragflächen breiteten sich aus, und langstelzige Fahrwerke streckten sich wie abwehrend der heranrasenden Piste entgegen. Ein Bild, das in frappierender Weise an einen landenden Pterosaurier erinnerte. Die planmäßige Linienmaschine aus Leningrad setzte in Frisco zur Landung an.
Karin Bachfeld und Wolfram Bracke verließen die gedeckte Gangway und stockten, als ihnen in der weiten Halle der Lärm quirlenden Lebens entgegenschlug.
Während Bracke sein Gesicht hinter einem großkarierten Taschentuch verbarg und sich kräftig und ausgiebig schneuzte, blickte sich Karin, nachdem sie die Koffer in der Nähe einer Telefonkabine abgestellt hatte, aufmerksam nach allen Seiten um. Langsam begann sich Enttäuschung auf ihrem Gesicht abzuzeichnen. Natürlich hatte sie nicht damit gerechnet, daß Lester Sullivan sie hier abholen würde, gehofft aber hatte sie es im stillen. Nun stand sie hier inmitten des Trubels, einen verschnupften Mann vom Mond an der Seite, und war doch allein.
Sie versuchte sich zusammenzunehmen. Woher sollte Lester wissen, daß sie bereits wieder in Frisco war, da sie doch erst vorgestern abgereist war. Höchstens, wenn Schesternjow., aber wie kam Romuald dazu, Lester Sullivan zu informieren?
Sie winkte einem der vorüberhastenden Zeitungsverkäufer zu und ließ sich eine der bunten Tageszeitungen geben.
»Übermorgen können Sie sich ansehen, Miss, wie Mahoney den häßlichen Jenkins aus dem Ring feuert«, rief ihr der junge Mann zu und hielt ihr das gefaltete Blatt vor die Nase. Das schreiend bunte Titelbild hätte sie ohne die Bemerkung des Jungen, der mit einem schnellen »Thank you, Miss!« weiterlief, beim besten Willen nicht deuten können. Es zeigte einen riesenhaften Boxhandschuh, hinter dem das im Normalfall recht gut aussehende Gesicht Mahoneys, bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, zu sehen war. Der darunter stehende Text wies darauf hin, daß der Herausforderer, genannt »das Großmaul«, in seinem letzten Kampf vor der Austragung der Regionalmeisterschaft zum erstenmal eine volle Linke seines Gegners schlucken mußte. Er habe dadurch die dritte Runde abgeben müssen. Dann jedoch sei er wie umgewandelt aus der Ecke gekommen, habe die vierte Runde völlig offen gestaltet und alle anderen Runden für sich verbuchen können. Durch gute Taktik und Kampfgeist habe er auch diesen Kampf gewinnen können. Zwar habe er nur nach Punkten gewonnen, aber immerhin sei Bannister ein nicht zu unterschätzender Gegner. Übrigens habe Bannister nach dem Kampf behauptet, daß er Rod Mahoney in spätestens einem Jahr vernichtend schlagen werde.
Karin Bachfeld erinnerte sich sehr genau an diesen Mahoney, einen jungen, gut gewachsenen Mann mit bescheidenen, aber sicheren Manieren. Sie hatte ihn nur wenige Tage in der Nähe des Lake North gesehen, und er war für sie interessant geworden durch den Zwischenfall mit den Mornen und durch das erhebliche Interesse, das Lester Sullivan für ihn als Boxer bekundete. Nach einem längeren Gespräch mit ihm hatte sie Mahoney dann aus den Augen verloren. Ebenso wie seine Begleiterin, ein schlankes, dunkles Mädchen, an das sie sich kaum noch erinnern konnte.
Offensichtlich hatte er nach dem Zwischenfall noch einen Kampf geliefert, den er nur mit Mühe gewonnen hatte. Es war ihr unverständlich, daß ein so freundlicher Mensch einen derart harten Sport betreiben konnte, aber sie wußte, daß sie auf ihr Gefühl in diesem Falle nicht vertrauen konnte; auch Lester liebte das Boxen.
Sie las den Artikel weiter, obwohl sie sich über sich selbst wunderte, erfuhr, daß Mahoney bereits in San Francisco war, daß er im Hotel »Sunside Beach« wohne, im selben Hotel, in dem auch sie absteigen würde, und daß er sich von niemandem sprechen ließe, um sich in aller Ruhe auf seinen Kampf gegen Lucky Jenkins vorbereiten zu können. Er sollte erklärt haben, behauptete die Zeitung, daß er durch den Zwischenfall mit den Mornen und durch seine persönlichen Kontakte zu ihnen einen Trainingsrückstand erlitten habe, der zu seinem nicht ganz glanzvollen Abschneiden gegen Bannister geführt habe. Jetzt sei er allerdings wieder völlig fit. Er fühle sich in der Lage, Jenkins in der sechsten Runde aus dem Ring zu katapultieren. Seine Freunde könnten ruhig auf ihn wetten, seinen Feinden gönne er, daß sie ihr Geld verlören.
So
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