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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Heimweg bei den Smalls hereinschaute. «Und
über Sie ist er auch nicht gerade entzückt, Rabbi.»
    «Was hab ich ihm denn getan?»
    «Ein District Attorney braucht einen klaren Fall, mit dem
er vor Gericht geht und gewinnt. Er hat es nicht gern, wenn man ihm einen Mord
auf den Schreibtisch legt, bei dem der Täter wahrscheinlich nie entdeckt wird,
das passt ihm nicht in den Kram … Darum ist er über Sie verschnupft. Und über
mich noch viel mehr, weil er denkt, ich hätte alles vermasselt. Ich weiß nicht,
wie ich seiner Ansicht nach auf die Idee hätte kommen sollen, dass es ein Mord
ist, aber …» Er grinste. «Ja, ich weiß – Sie sind auf die Idee gekommen. Aber
ich bin bloß ein schlichter Polizist … Immerhin, ich wäre ganz anders
vorgegangen, wenn ich an die Möglichkeit eines Mordes gedacht hätte. Aber so … Ich
mache auf alle Fälle keine besonders gute Figur bei der Sache.»
    «Sie werden eine umso bessere machen, wenn Sie den Täter
finden», munterte ihn Miriam auf.
    «Ja – wenn!» Er lachte trocken. «Das wird nicht so leicht sein.
Es ist kein normaler Fall.»
    «Warum nicht?»
    «Nun, bei jedem Verbrechen gibt es drei grundlegende Fragen
– drei Richtlinien für die Untersuchung, wenn man so will; und wo sich die
Linien schneiden, dort ist die Antwort: Erstens, Gelegenheit zur Tat; zweitens,
Zugang zu der Waffe; drittens, das Motiv. Fangen wir mal mit der Waffe an – mit
dem Wagen also. Praktisch hat jeder, der fahren kann, Zugang zur Waffe gehabt –
ja, er brauchte nicht einmal unbedingt fahren zu können.»
    «Wieso? Das versteh ich nicht ganz.»
    «Sagen wir, Hirsh hat’s noch mit knapper Not geschafft bis
in die Garage; dann hat er die Besinnung verloren. Das bedeutet doch, dass
jeder, der ihn sah, die Garagentür zumachen konnte.»
    «Aber dann hätte Hirsh am Steuer gesessen und nicht auf dem
Beifahrersitz», widersprach der Rabbi.
    «Ach so, ja … Ja, Sie haben Recht. Also gut: Der Mörder oder
zumindest ein Komplize kann Auto fahren. Das lässt uns ziemlich viel Auswahl,
nicht? Weiter: Gelegenheit zur Tat: Da die Waffe so leicht zugänglich war, ist
jeder, der gegen acht Uhr abends in der Umgebung von Hirshs Haus war,
potenziell verdächtig.» Lanigan grinste. «Das bedeutet praktisch ein
kollektives Alibi für Juden – die waren alle in der Synagoge.»
    Der Rabbi lächelte schwach. «Und das Motiv?»
    «Ja, das Motiv … Hier wird’s nun ganz vertrackt: Zu diesem
Mord braucht man nicht unbedingt ein schwerwiegendes Motiv.»
    «Nanu – wieso?»
    «Weil alles so sang- und klanglos ablaufen konnte. Der
Täter brauchte nicht viel Mut, er musste nicht im Voraus planen … Stellen Sie
sich vor, Sie sehen einen Ertrinkenden. Obwohl Sie ein guter Schwimmer sind und
ihn ohne weiteres retten könnten, wenden Sie sich einfach ab … Verstehen Sie
jetzt, was ich meine? Jemanden vorsätzlich ertränken, dazu braucht man
Entschlusskraft und Kaltblütigkeit. So etwas tut man nur, wenn man den anderen
hasst und ihm den Tod wünscht. Aber um einfach davonzulaufen, dazu braucht es
nicht viel. Warum soll ich mir für den Kerl ein Bein ausreißen?, denkt man
sich; das Leben wäre ohne ihn viel leichter …»
    «Das ist schließlich auch ein Motiv.»
    «Zugegeben. Aber keines, mit dem Sie operieren können. Hass,
Eifersucht, Habgier – damit kann man was anfangen, aber so … Wohlgemerkt, ich
behaupte nicht, dass Hass, Eifersucht und Habgier keine Rolle bei der Sache
spielten – vielleicht tun sie’s. Ich weiß es nicht. Natürlich muss es ein Motiv
geben – von nichts ist nichts. Aber bei einem Mord, der mehr oder weniger
zufällig zustande kommt, entdeckt man auch oft das Motiv nur durch Zufall.»
    «Und wenn Sie die Geschichte in den Zeitungen
veröffentlichen? Vielleicht kommt dabei etwas ans Licht.»
    Lanigan schüttelte den Kopf. «Damit müssen wir noch ein paar
Tage warten. Der District Attorney meint, wir finden eher etwas heraus, wenn
wir die Sache geheim halten.»
    «Dann haben Sie also doch eine Spur?»
    «Spur ist zu viel gesagt … Es ist Beams Idee, aber der District
Attorney möchte sie nachprüfen lassen. Rein logisch gesehen, ist es natürlich
möglich … Beam hat sich in den Kopf gesetzt, dass es die Witwe war – dann
braucht nämlich seine Versicherung nicht zu blechen. Sein Argument ist, dass sie
als Einzige vom Mord profitieren würde: Erstens kriegt sie fünfzigtausend
Dollar, und zweitens wird sie einen Mann los, der ihr Vater hätte sein können
und auch sonst keine

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