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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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gehört, Peter?», fragte Miriam.
    Dodge wich aus. «Ach, irgendwas wegen Ike Hirsh – dass er
Selbstmord begangen haben soll, und Sie hätten ihn nicht beerdigen dürfen … Es
leuchtet mir nicht ganz ein. David konnte ja nicht wissen, dass es Selbstmord
war. Im offiziellen Polizeibericht steht schließlich ‹Unfalltod›. Ihre Gemeinde
kann doch nicht von Ihnen erwarten, dass Sie jedes Mal Detektiv spielen, wenn
jemand stirbt.»
    «Kannten Sie Hirsh?», fragte der Rabbi. «Moment mal – natürlich
kannten Sie ihn. Sie waren doch bei der Beerdigung.»
    «Hirsh? Ja, gewiss; ich kannte ihn. Er war auch in der
Bewegung.»
    «In welcher Bewegung?»
    «In der Bürgerrechtsbewegung … Er überwies eine kleine Spende,
worauf ich ihn zu Hause besuchte. Sie machen sich keinen Begriff, was das oft
ausmacht – die Leute rücken viel mehr heraus … Na ja; ich komme auf meinem
täglichen Spaziergang ohnehin an seinem Haus vorbei, und da hab ich einfach auf
gut Glück geklingelt. Und wer macht mir auf? Pat Maguire, mit der ich zusammen
zur Schule gegangen bin! Mittlerweile hieß sie Pat Hirsh … Die Welt ist klein,
nicht? Seither habe ich ab und zu bei ihnen reingeschaut; ich bin auch schon
mal zum Abendbrot eingeladen worden …»
    «Was für ein Mensch war Hirsh?»
    «Ein hochanständiger Kerl. Erst glaubte ich, er hätte einen
Hass auf den Süden und die Südstaatler … Er hatte nämlich eine Zeit lang dort
gelebt. Aber später merkte ich, dass es einfach ehrliche Sympathie für alle
Unterdrückten war … Einmal sagte er sogar so was, er wolle nach Alabama
hinunter, um dort zu demonstrieren. Na ja – ich hab’s nicht so ernst genommen;
das höre ich öfters.»
    «Wollten Sie Demonstranten für Alabama rekrutieren?», fragte
Miriam.
    «Oh, das wollen wir eigentlich die ganze Zeit. Aber jetzt arbeiten
wir auf Hochtouren. Ich organisiere MOGRE hier an der Nordküste.»
    «Mog…?»
    «M-O-G-R-E, Rabbi. Men of God for Racial Equality. Es ist eine Vereinigung von Geistlichen aller Religionen,
die sich für die Rassengleichheit einsetzen. Es sind überwiegend Protestanten,
aber wir haben auch einen griechisch-orthodoxen Priester, und jetzt verhandeln
wir mit der katholischen Erzdiözese … Ach ja, und ein paar Rabbiner haben wir
auch.» Er lächelte. «Wie wär’s mit Ihnen, David?»
    Der Rabbi lächelte.
    «Überlegen Sie sich’s doch.» Dodge rückte mit seinem Stuhl
näher. «Ich wette, es würde sogar ihr Problem mit der Gemeinde lösen.»
    «Wie denn?»
    «Nun, es heißt, Sie hätten den Bau einer Friedhofsstraße verboten,
und darüber will man sich hinwegsetzen … Wenn Sie nun wortlos zuschauen und
nichts dagegen unternehmen, wie sieht das aus? Aber wenn die Leute wissen, der Rabbi
ist im Süden und demonstriert für eine gute Sache – schauen Sie, dann können
Sie vorläufig gar nichts tun; niemand erwartet es von Ihnen. Und hinterher,
wenn Sie wieder da sind, haben Sie an Prestige gewonnen und bei den Diskussionen
einen besseren Stand.»
    «Falls er überhaupt zurückkommt.»
    «Falls er … Wie meinen Sie das, Mrs. Small? Ach so. Sie denken
an die Gefahr … Es ist aber gar nicht so schlimm; jedenfalls nicht für
MOGRE-Leute. Wir werden unsere Talare tragen und die Rabbiner, soviel ich weiß,
ihr Käppchen und den … na, den Gebetsmantel – wie heißt das?»
    «Den Talles. »
    «Ja, richtig. Auch wenn die Leute da unten nicht so genau Bescheid
wissen – dass es was mit Religion zu tun hat, das merken sie schon … Es wird
Zwischenfälle geben, ja. Aber wenn man sich vor Augen hält, dass man sich für
die Sache Gottes einsetzen darf …»
    «Ich dachte, es sei für die Sache der Neger.»
    Dodge lächelte, um zu zeigen, dass er Spaß vertragen konnte.
«Das ist doch dasselbe, David; es ist zum Ruhme Gottes, der sich im Menschen
offenbart – in allen Menschen, ob schwarz oder weiß … Nun? Was halten Sie
davon?»
    Der Rabbi schüttelte den Kopf. «Nein, Peter. Sehen Sie, ein
Rabbiner ist kein Man of God, kein ‹Gottesmann› im Sinne der
christlichen Kirchen. Ich bin es nicht mehr als andere Menschen … Ich könnte
natürlich als Privatperson mitmachen, aber …» Er zuckte die Achseln. «Es drängt
mich nicht, es zu tun; es wäre also nicht ehrlich. Ich würde aus anderen Gründen
mitmachen – wie Sie es angedeutet haben: Um eines Prestigegewinnes willen zum
Beispiel. Und das wäre Heuchelei.»
     
     
    25
     
    «Der District Attorney hat eine Sauwut auf mich»,
berichtete Lanigan, als er auf dem

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