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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Direktor – hat allen Grund, mir gelegentlich einen
Gefallen zu tun … Ich hab Hirsh die Stelle verschafft, weil ich ihn nicht
riechen konnte.» Er lachte dröhnend über die verdutzte Miene des Rabbi.
    «Wie gesagt, die Hirshs waren unsere Nachbarn. Es ging uns
beiden ziemlich mies. Wir hatten eine Geflügelhandlung, sein Vater eine kleine
Schneiderwerkstatt. Mrs. Hirsh war eine anständige Person. Als sie starb,
gingen wir alle zur Beerdigung. Mein Vater schloss den Laden, damit wir alle gehen
konnten. Der alte Hirsh … das ist ein Kapitel für sich. Ein Nichtsnutz, ein
Windmacher, der bloß immer mit seinem Wunderkind von Sohn geprotzt hat. Wir
waren vier Geschwister – ich hab noch zwei Brüder und eine Schwester –, und
nach der Schule und auch sonntags mussten wir alle im Laden helfen – es ging
nicht anders damals. Ich hab nicht mal High-School-Abschluß. Aber Ike Hirsh,
der ging aufs College, und später hat er seinen Doktor gemacht … Als Kind
spielte er nie mit den anderen Jungen in der Straße. Er war klein und pummelig,
und wir haben ihn immer ausgelacht. Er hockte zu Hause über seinen Büchern, und
sein Vater kam zu uns rüber und prahlte mit ihm. Sie können sich denken, wie
sehr sich mein Vater grämte, wenn er uns Kinder mit dem jungen Hirsh verglich.
Und der Alte hat’s ihm ständig unter die Nase gerieben.
    Na, kurz und gut – Hirsh junior kriegte dann irgendeine Stelle
bei der Regierung oder bei einer Firma, die Regierungsaufträge hatte – so genau
weiß ich das nicht; es muss aber was ziemlich Wichtiges gewesen sein. Es war im
Krieg, auf alle Fälle … Wir haben ihn damals nie zu Gesicht bekommen.
    Unterdessen hatten wir uns ganz hübsch hochgearbeitet. Mein
Vater hatte mal Glück mit einem Grundstückskauf, aber hauptsächlich war’s
unsere Arbeit. Na ja, und die Konjunktur der Nachkriegsjahre. Wir hatten jetzt
eine Geflügelgroßhandlung, aber Vater stand trotzdem jeden Morgen im Laden. So
ist er nun mal …»
    «Und Hirsh?», lenkte der Rabbi vorsichtig zum Thema zurück.
    «Ja, Hirsh … Eines Tages tauchte er bei uns auf. Er hätte ein
Verfahren zum Herstellen von Transistoren entwickelt. Nichts
Revolutionierendes, aber immerhin könnte man damit die Herstellungskosten um
zehn bis zwanzig Prozent verringern … Ich hatte keinen Schimmer von
Transistoren, und mein Vater noch viel weniger; aber er hatte Vertrauen zu
Hirsh. Der sagte auch, er hätte Kontakt zu allen möglichen Regierungsstellen
und würde uns Regierungsaufträge zuschanzen, und so weiter und so fort.
    Kurz und gut, Vater ließ sich überreden, zehntausend Dollar
zu investieren. Hirsh brauchte keinen Cent hineinzustecken, aber er war mit
fünfzig Prozent beteiligt.
    Wir mieteten also ein Lokal und starteten die Fabrikation. Hirsh
war das große Genie und ich der Trottel – gerade gut genug, um den Versand zu
kontrollieren und die Arbeiter zu beaufsichtigen. Nach einem Jahr waren
zehntausend Dollar zum Teufel samt unserer ursprünglichen Investition. Und dann
kriegten wir plötzlich einen Auftrag – nichts Großes, aber immerhin konnten wir
uns damit eine Weile über Wasser halten. Zur Feier des Tages kaufte ich eine
Flasche Whisky, und wir tranken gerade auf den Erfolg, da wurde ich aus irgendeinem
Grund abgerufen. Als ich nach ein paar Stunden zurückkam, war Hirsh
sternhagelvoll.»
    Bei der Erinnerung spiegelte sich immer noch das Entsetzen
in seinem Gesicht. «Stellen Sie sich vor, Rabbi – ein gebildeter Jude … und ein
Säufer! Ich sagte meinem Vater kein Wort. Ich redete mir ein, es war ein
unglücklicher Zufall; er hat nicht aufgepasst, das Maß verloren – kann ja mal
vorkommen, nicht? Na, am nächsten Tag kam er überhaupt nicht ins Geschäft; tags
darauf saß er wieder da, als wenn nichts geschehen wäre. Aber am folgenden Tag
war er wieder sinnlos betrunken … Zwei Wochen lang hab ich mir das mit angesehen;
dann wurde es mir zu bunt und ich erzählte es meinem Vater. ‹ Schmeiß ihn raus›, sagte er. ‹Schmeiß ihn raus, bevor er
uns ruiniert.›»
    «Und? Haben Sie ihn rausgeschmissen?»
    Goralsky nickte finster. «Ich habe ihm freigestellt, uns
auszukaufen oder von uns ausbezahlt zu werden. Natürlich hatte er kein Geld.
Wir zahlten ihm fünfzehntausend Dollar glatt auf den Tisch und trennten uns von
ihm. Und was soll ich Ihnen sagen, Rabbi – mit einem Schlag ging’s aufwärts. Zwei
Monate später bekamen wir einen Bombenauftrag von der Regierung, und seither
läuft der Laden.»
    «Haben Sie

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