Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
geahnt -, singt Koro den Bäumen erneut ein Lied.
Die Menschen im Kreis blicken nach oben, schließen die Augen, wiegen sich hin und her. Eine Dame mit Batikhemd lehnt sich nach vorne und legt den Kopf in den Nacken, sie scheint in eine Art Trance gefallen zu sein. Ich nicht, ich kann sie sehen …
Nach einer Weile, und ich bin wirklich kein Esoteriker, fangen die Äste über uns auf einmal an zu rauschen. Der Baum scheint uns zu antworten.
Irgendwann löst sich der Kreis auf, und Alex macht die Kamera aus. Das ist die große Stunde von Claudia, der immer lächelnden Produktionsleiterin. Sie ist dafür verantwortlich, die Bildrechte der Teilnehmer einzuholen. Alle sind noch ganz beommt von der Gemeinschaft, dem Blätterrauschen und Singen, und ihr quillt ein Berg Papier aus den Armen, und Stifte klemmen zwischen ihren Fingern. Aber sie macht das mit einer solch fröhlichen Leichtigkeit, dass niemand daran denkt, es könnte schlecht sein, mit verklärtem Blick von der ganzen Welt gesehen zu werden.
Abschließend treffen wir, das Team und die okkupierte Reisegruppe, uns alle noch einmal auf einer kleinen Lichtung. Nun erklärt Koro allen Anwesenden einmal mehr, wie sich der Baum vermehrt. Ein Mann, eine Frau werden nach vorne gerufen. Koro zückt seine Filmdose und erklärt, wie sich der männliche Samen ums Leben bringt und danach zu Boden fällt. Das sei das Opfer, das der Mann bringe, aber die 48 Stunden vorher seien es wert. Nach der Explosion des weiblichen Zapfens folgen wieder Sätze in der Sprache der Maori und – ich habe es schon vermisst – Gesang.
Anschließend zeigt Koro uns noch einmal den kleinen befruchteten Samen.
»Alles hat einen Anfang«, sagt er dann.
Dieser Satz löste in mir eine Kaskade von philosophischen Assoziationen aus – die mir aus dem Philosophie-Unterricht an der Schule vage im Gedächtnis geblieben sind -, was Koro wahrscheinlich gar nicht wollte.
Die Aussage »Alles hat einen Anfang« ist dem kausalen Gottesbeweis des Thomas von Aquin durchaus nicht unähnlich. Schon Aristoteles hatte behauptet, alles müsse eine Ursache haben und es müsse deshalb auch eine »erste Ursache« geben. Der christliche Denker hat das übernommen und sagte, der erste Anfang sei Gott. Man verzeihe mir den kleinen und mit Sicherheit lückenhaften Abriss der 2500-jährigen Philosophie-Geschichte in wenigen Zeilen.
Unabhängig von der Bedeutung und Richtigkeit dieser Aussage zeigt das aber, wie sehr sich doch das Denken der Menschen ähnelt – ganz egal, wo und wann sie auf dieser Erde gelebt haben oder leben. Ich selbst zweifle das Postulat der ersten Ursache allerdings an. Warum kann nicht alles schon dagewesen und nur einer ständigen Veränderung unterworfen sein?
Ich gebe aber zu, dass mich sowohl mein Respekt als auch meine nur rudimentären Sprachkenntnisse davon abhielten, darüber in einen längeren Disput mit Koro einzutreten.
Falls es dich interessiert: Ich möchte genauso wenig in diesen grundlegenden philosophisch-theologischen Diskurs einsteigen. Ich bekomme schlicht und einfach immer Kopfschmerzen, wenn ich versuche, mir vorzustellen, dass alles schon immer vorhanden gewesen sein soll. Dass es keinen Anfang und kein Ende gibt. Ich werde ja schon auf langweiligen Partys ramdösig, die sich ewig hinziehen … Andererseits, wann immer ich mal kurz dafür offen war, mich der theologischen Argumentation anzuschließen, um nicht bekloppt zu werden, ist das in die Hose gegangen. Denn ich nahm in diesem Zusammenhang einfach mal an: Alles hat einen Anfang … und fragte mich etwa drei Sekunden später: Was war denn davor? Etwa nichts? Wie funktioniert denn so ein Nichts? Und dann bekam ich Migräne mit Brechdurchfall. Alttestamentarische Evolutionstheorien sind einfach nichts für mich.
Ich möchte nicht im Detail auf die Frage eingehen, ob es mich interessiert, aber immerhin bringt mich das Wort des Herrn Zimmermann, der hier dem Namen nach durchaus eine berufliche Verwandtschaft zu Religionsstiftern hat, auf einen weiteren Gedanken: Das Alte Testament macht es einem eigentlich leicht. Gott ist da und fängt an, eine Erde zu bauen. Da muss man nicht nachdenken. Das glaubt man einfach, oder auch nicht. Schwieriger macht es einem das Johannes-Evangelium, also das vierte Buch im Neuen Testament: »Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott …« Meint er Jesus? Oder was ist das Wort?
Ich finde es erstaunlich, dass es Menschen gibt, die sich eher mit einem
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