Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
fällt mir nicht leicht.
Es fällt mir ja sehr schwer, dich von deinem hohen ethnozentrischen Ross zu kicken, aber an dieser Stelle bist du einfach zu nah an einem Hindernis vorbeigeritten. Ich erinnere mich noch gut, dass es eine Zeit gab, in der du es alles andere als befremdlich fandest, in ritueller Weise sogar leblose Einrichtungsgegenstände anzusingen. Meist geschah das nicht in den duftenden Weiten eines kraftstrotzenden Waldes, sondern in einer düsteren und nach Räucherwerk muffelnden Halle. Zusammen mit anderen fielst du immer wieder auf die Knie, erhobst die Arme gen Himmel oder nesteltest kryptisch vor Gesicht und Oberkörper herum. Natürlich nicht ohne mit woh ligem Schauer Worte aus einer lange vergangenen Zeit im Chor mit anderen zum Besten zu geben. Unablässig starrtest du auf ein verblichenes Schnitzwerk, das einen Mann darstellen sollte, der ganz offensichtlich bei lebendigem Leibe an ein Lattengerüst genagelt worden und vollkommen blutüberströmt war.
Mit großem Interesse würde ich es verfolgen, wenn deine neue maorische Gartenfreundin dich in diesem soziokulturellen Umfeld beobachtete. An welche Grenzen interkultureller Toleranz würde sie wohl stoßen, wenn sie solche Gebräuche mit ihren Hymnen an die lebendigen Vertreter von Mutter (oder Vater) Natur vergleichen würde?
Zum Schluss darf ich dem Baum noch einen Namen geben. Ich taufe ihn Treewi, »triwi« gesprochen, eine Mischung aus »Tree« und »Kiwi«. Die Idee dahinter stammt aus einem Gespräch mit Koro, der sagte, dass der Baum wachse und den Vögeln Nahrung und Schutz gebe, die wiederum Nahrung für den Menschen seien. Somit hänge alles miteinander zusammen. Mit dem Namen wollte ich nun also deutlich machen, dass der Baum und der Kiwi als Vogel zusammengehören, als untrennbare Einheit.
Ich brauche den halben Weg zurück, um der Frau, die das betreute Pflanzen leitet, das Bild verständlich zu machen. Es ist halt schwierig, wenn ein Deutscher versucht, englische Wortspiele zu erklären …
Sie ist jedoch so höflich, am Ende Verstehen zu signalisieren. Nebenbei fragt sie auch noch nach dem Namen unserer kleinen Reisegruppe. Der solle mit auf ein Schild, das dann neben dem Baum stünde.
Darauf bin ich natürlich nicht vorbereitet und muss mir schnell etwas ausdenken. Da »Werbeteam« irgendwie voll unromantisch klingt, entscheide ich mich für Tommys Vorschlag.
Seinen zweiten, um genau zu sein.
Der erste hat was mit Brot und Handpuppen zu tun, der andere lautet »Infantree«. Eine Mischung aus »Infants« und »Tree«, der Baum ist ja noch ein Kind, und wir sind heute ebenfalls den ganzen Tag wie kindliche Fußleute durch den Wald und um Bäume herumgelaufen, die wir wie Kinder bestaunten.
Ich will ihr das gerade erklären, aber da ist die Frau schon weg. Ich höre sie nur noch leise in der Ferne singen …
4 | A UCKLAND
Rundflug auf die Stadt
eute besuchen wir Auckland. Ich hege eigentlich keine große Begeisterung für Städte: dicht aneinandergereihte Steinmauern, Menschenströme, die sich über enge Fußgängerwege wälzen. Straßen mit lauten Autos, die stinken, und jeder Blick zerschellt bereits nach 50 Metern an der nächsten Werbetafel.
Auch kann man in Städten kaum etwas tun außer essen und shoppen. Ersteres finde ich gut, ist aber irgendwann erledigt. Letzteres ist nix für mich. Ich bestelle lieber im Internet.
Zugegeben, hin und wieder lasse ich mich in einer Stadt natürlich doch ganz gerne von ihren kleinen Eigenheiten überraschen: von einem Museum, einem schönen Gebäude oder einem besonderen Platz.
Jetzt muss ich als leidenschaftlicher Städter aber wirklich einen kleinen, spitzen Kiekser des Entsetzens unterdrücken! Du bist doch angeblich an der Historie von uns Erdenbürgern interessiert!? Dass urbane Lebensräume aufs Fressen und Shoppen ausgerichtet sind, gilt doch wohl eher für zentrumsferne Shopping Malls. In den Ballungsräumen haben sich Menschen hingegen von jeher dem Fortschritt und der Kultur zugewandt und dabei nicht unerhebli che Spuren hinterlassen, die es heute noch zu bestaunen gibt.
Nehmen wir ein Städtchen wie Paris. Dort gehören zu den »kleinen Eigenheiten« allein 160 Museen. Und schon der Louvre ist dabei mit 60000 Quadratmetern, einer Sammlung von 380000 Werken und ungefähr 38000 ausgestellten Exponaten nicht gerade als klein zu bezeichnen. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, die »schönen Gebäude« oder »besonderen Plätze« in dieser Metropole aufzuzählen.
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