Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
beginnenden Schöpfer abfinden können als damit, dass alles schon immer irgendwie war und immer irgendwie sein wird. Insbesondere, weil die Welt, die wir innerhalb unserer Lebensspanne kennenlernen, doch genau das zeigt: Alles ist schon dagewesen, und alles dauert fort. Endlichkeiten von Zeit und Raum liegen temporär recht weit entfernt.
Mir selbst fällt es leichter, Heraklits Vorstellung zu folgen: »Alles ist im Fluss und ständiger Veränderung unterworfen«.
Aha … das sagtest du bereits einige Zeilen zuvor! Das Prinzip der Repetitio und dein Unvermögen, das Johannes-Evangelium theologisch zu durchdringen, machen es mir aber auch nicht leichter zu glauben, dass Eier und Hühner beide bereits immer vorhanden waren. Also immer eines früher als das andere. Eine unendliche Geschichte. Rückwärts. Ad infinitum. Ich krieg schon wieder Migräne …
Doch dann kommt der Moment des Abschieds. Ich hätte noch den ganzen Tag, wenn nicht sogar die ganze Woche mit Koro durch diesen Wald wandern können, um mehr über die Mythologie der Maori zu erfahren, aber auf mich wartet noch eine andere Aufgabe: Ich darf einen Kauribaum pflanzen.
Ich gehe also unter die Gärtner. Ob ich einen grünen Daumen habe, wird man dann in 3000 Jahren sehen können.
Zuerst ist aber noch eine kurze Erholungspause angesagt: Wir wollen zum Waipoua Visitor Center und ein paar Hundert Meter davor machen wir an einem äußerst idyllischen Flecken halt: Hier gibt es eine große Wiese, die einen leichten Hang hinab zu einem breiten Fluss führt, der, aus dichtem Grün kommend, in einem breiten Flussbett an mir, der ich mich nun ans Ufer gestellt habe, vorüberzieht. Leichte Stromschnellen lassen ein Plätschern in der Luft zurück, während sich das Wasser weiter seinen Weg bahnt. Auf der anderen Flussseite befinden sich Farne und Palmen, aber auch Laubbäume und kleinere Sträucher. Diese Mischung aus österreichischem Bach und tropischem Regenwald geben dem Ort eine ganz besondere Atmosphäre.
Schon nach kurzer Zeit ist die Pause zu Ende. Wir fahren die restlichen 300 Meter und biegen auf den Parkplatz des Besucherzentrums ein. Hier soll es stattfinden, das Kauripflanzen.
Das Land samt der beiden Hügel und dem dazwischenliegenden Tal, in dem wir uns befinden und an dessen Fluss wir gespeist haben, gehört den Maori. Die Bäume auf der einen Seite des Tales sind allerdings Eigentum des neuseeländischen Staates. Es handelt sich fast komplett um nichtendemische Nadelhölzer, welche aber abgeholzt und durch einheimische Flora ersetzt werden sollen. Für einzelne Bäume kann man Pate werden und sie selbst pflanzen – das ist die Aufgabe, die mich hier erwartet. Mein »Patenkind« ist ein fünf Jahre alter Kauri, der auf der Ladefläche unseres kleinen Lasters steht, in den ich nun steige.
Natürlich bin ich nicht alleine. Den Wagen fährt unsere persönliche Pflanzungsbetreuerin. Eine Maori des hier ansässigen Stammes, die für die korrekte Setzlingsversenkung verantwortlich ist. Sie fährt mit uns einen holprigen Forstweg hinauf und hält auf einer Parkfläche an. Wir verlassen den Wagen und stellen uns an den Rand des Platzes, von dem aus man einen hervorragenden Rundumblick hat. Dort machen wir ein Foto.
Anschließend laufen wir den Berg wieder hinunter. Von der schönen Aussicht profitiert nur unser Fotoapparat, nicht aber der Baum. Nun geht es zum Ort der Einpflanzung.
Das gesamte Prozedere ist eher deprimierend und irgendwie leicht »touristisiert«: Der Weg zur Pflanzungsstelle ist frei, alle Wurzeln sind beiseitegeräumt, das Loch ist bereits ausgehoben und wurde nur mit lockerer Erde wieder aufgefüllt, damit ich es auch ja nicht zu schwer habe.
Aber so einfach, wie ich mir das vorstelle, lässt sich die Aktion dann doch nicht angehen, zuerst spricht meine Pflanzlehrerin ein paar Worte Te Reo Ma¯ori und – ja: Sie singt.
Danach darf ich die losen Schollen aus dem Boden heben, den Baum einsetzen und seine Wurzeln mit Erde bedecken.
Anschließend erklärt sie mir die Fortpflanzungsstrategien dieser Pflanze: Es gibt einen männlichen, einen weiblichen Teil, der eine stirbt, der andere explodiert. Als sie mit der Erklärung fertig ist, JAAAAAAAAAAAAA, wird wieder gesungen.
Ich bin ja recht neugierig und oft selbst davon überrascht, wie leicht es mir fällt, soziokulturelle Alltagsrituale zu übernehmen. Aber hier stoße ich an meine Grenzen. Einzelne Pflanzen besingen und ihnen Glück und wahrscheinlich Segen wünschen, das
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