Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
zum Schluss unklar ist, ob ich dabei die Augen schließen oder offen halten sollte und ob sich die Stirn mit der des Partners berührt oder nicht.
Leider kann ich dir in Bezug auf den Status deiner Augenlider keine theoretische Hilfestellung geben. Zum Rest der nasalen Begrüßung schon. Ein Konsens bei den regional leicht unterschiedlichen Vorgehensweisen besteht allerdings darin, dass sich Stirn und Nase sanft berühren sollten. Dabei schüttelt man sich die rechte Hand. In einigen Gegenden ist es angesagt, dass die Linke eine Umarmung andeutet, oder dass man den Arm des Gegenübers sanft berührt. Der Sinn der Übung besteht darin, dass man den anderen wahrnimmt und ein Austausch des Atems stattfindet.
Die leichte Brise aus den Lungen des Begrüßungspartners steht hier klar als Metapher für die Lebensluft, also die Seele des Menschen. Man gibt das Innerste preis und lässt den anderen daran teilhaben. Unweigerlich kommen mir an dieser Stelle Bilder von vorabendlichen Tsatsiki-Experimenten, eimerweiser Kräuterschnaps-Degustation oder ähnlichen Verköstigungen in den Sinn.
Nach Auffassung des Tuhoe Maori Aktivisten Tame Iti dient der Hongi nicht nur dazu, freundschaftlich verbundene Personen angemessen zu begrüßen, sondern auchdem Zweck, etwas über seinen Feind zu erfahren. Alle Sinne geschärft, komme man so dem Gegner besonders nahe und erhalte ein klareres Bild seiner Konstitution.
Weigerte er sich in der Vergangenheit noch, neuseeländische Politiker mit dem Hongi zu begrüßen, sieht er es mittlerweile als Vorteil an, seine Feinde auf diese Art und Weise zu empfangen. Und als Feinde empfindet er eben alle Politiker aufgrund der Historie der neuseeländischen Regierung im Umgang mit den Maori. Bekannt ist er übrigens nicht nur für sein nasales »En garde«, sondern ebenfalls für die Praxis des Whakapohane. Dieses maorische Ritual macht unmissverständlich die persönliche Einstellung zu einem bestimmten Sachverhalt klar: Es handelt sich dabei um die demonstrative Entblößung des Gesäßes, welche in Neuseeland die gleiche Aussagekraft wie in den meisten anderen Teilen der Welt besitzt. Die Verknüpfung dieser beiden Rituale erscheint mir aber eher unüblich und beschränkt sich wohl auf politische Aktivisten vom Schlage eines Tame Iti.
Nun beginnt die eigentliche Aufgabe meines Maori-Tanzlehrers: Er will mir einen Kampf-Haka beibringen.
Zunächst stelle ich meine Füße fest auf den Boden und klopfe mir auf die Oberschenkel. Bei jedem zweiten Schlag, sozusagen auf die eins und die drei, stampfe ich mit dem rechten Fuß auf. Dieser Teil solle die Verbundenheit mit der Erde und die eigene Standhaftigkeit symbolisieren, erklärt mir mein Lehrer. Da ich mich stark konzentrieren muss, um nicht aus dem Takt zu kommen, falle ich fast um. Von Standhaftigkeit ist zwar genauso wenig zu merken wie von Verbundenheit mit der Erde, aber ich bin guten Mutes.
Wir sind nur zu zweit und alles andere als kampfgewillt, trotzdem kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, welch starke Energie diese Bewegungen freisetzen: Die Vorstellung von 400 Leuten in einer Reihe, die so etwas machen und zu allem entschlossen sind, lässt erahnen, wie viel Mut und Kraft man dadurch gewinnt. Und wie Furcht einflößend es wirkt, wenn man einer solchen Horde Menschen gegenübersteht.Dieses Prinzip der Gruppenmotivation erinnert mich an jemanden, der mir vor Jahren mal über den Weg gelaufen ist. Er ist Ritter. Also jedenfalls geht er regelmäßig in seiner Rüstung auf Ritterfestspiele und hat einen Thron am Tisch. Ja, zu Hause!
Dieser Mann erzählte mir mal von einer Großveranstaltung, bei der sie mit hundert Mann auf einem Hügel standen, sich mitKampfesrufen in Stimmung brachten und dann auf die ihnen entgegenkommenden »Gegner« zu rannten. Er meinte, dass er zuvor nie geglaubt hätte, wie kraftspendend diese Gemeinschaft sein könne. Ich selbst habe auf einem Mittelaltermarkt einmal sechs Recken in Dreiergruppen aufeinander zu rennen sehen, bis die Schilde zusammenstießen. Eine unglaubliche Energie, sogar bei diesem halben Dutzend.
Nachdem ich immer wieder aus dem Rhythmus komme – von meiner verkappten Schlagzeuger-Karriere, bei der ich übers heimlich im Keller Trommeln bisher nicht hinausgekommen bin, erzähle ich ihm lieber nichts, sonst wundert er sich noch, dass ich den Takt nicht halten kann –, erklärt mein Tanzlehrer mir, dass das gemeinsame Kraftschöpfen für den Kampf natürlich so nicht funktionieren
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