Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
unserem Planeten sogar mehrere große Stämme geben soll, die einen Ritus entwickelt haben, bei dem sie das neue Jahr mit einem großen Fest gebührend empfangen. Meist trinken sie in enormen Mengen kohlensäurehaltige Getränke, die sie in einen Rauschzustand versetzen, und zünden dann mit Sprengstoff gefüllte Pappröllchen. Manche lachen sich auch über einen Film in ihren persönlichen Panoptikumsen schlapp, bei dem ein betrunkener Butler sich ständig wegen eines Tigerkadavers auf die Schnauze legt. Und das Beste – ich habe in einer Randnotiz gelesen: Ihr Jahresbeginn, Neujahr oder 1.1. nennen die das, ist im Winter. Jedenfalls für 850 Millionen Menschen auf der Nordhalbkugel.
Ich bin zutiefst bestürzt. Da unterläuft mir ein kleiner Fehler, ein Lapsus, ein Irrtum, ein Versehen, ein Missgeschick, ein Falschwort, eine Dummheit, eine Panne, ein Ausrutscher, ja, vielleicht sogar eine Entgleisung. Und anstatt, dass du schriebst: »Winter? Du meinst sicherlich Sommer?«, ziehst du über mich her, stellst mich in die Ecke, wo sich die Deppen sammeln. Weißt du was? Ich bin gerne da. Die nehmen mich, wie ich bin. Also, noch mal: Gibt es eine Kultur, in der die Jahreseinteilung im Sommer (in Worten: Sommer) beginnt?
Keine Ahnung …
Wenn man nach meinem Geburtsmonat geht, ist mein »Guide« der März. HuiHeidi ist ganz überrascht, dass dieser auch der Guide der Darstellung ist, also zu mir als Schauspieler passt. Bevor hier astrologische Konzepte Anwendung finden, möchte ich erwähnen, dass es sich um eine Ex-post-Betrachtung handelt. Das Plätschern des Wassers noch im Ohr und den Blick der zwölf Holzstatuen im Rücken, gehe ich ins Marae. Dies ist ein abgegrenzter Bereich, der zeremoniellen Zwecken vorbehalten ist. Ein Weg führt geradewegs auf das Versammlungshaus zu, und rechts und links davon erstreckt sich eine Rasenfläche, die insgesamt etwa so groß wie ein Tennisplatz ist.
Hier warte ich auf einen Maori, der mir als Tanzlehrer zur Seite gestellt wird. Während ich so dastehe, blickt Tommy sich bereits um und plant die nächsten Einstellungen. Dann sehe ich ihn. Nicht Tommy, sondern den Maori-Lehrer, der zwischen den Gebäuden einen Weg entlangschreitet: lange Haare, freier Oberkörper, um die Hüfte einen Umhang, ebenso um die Schultern, und natürlich ein Gesichts-Tattoo, das sogenannte T ā moko. Als er nahe genug herangekommen ist, erkenne ich, dass es nur aufgemalt ist, trotzdem wirkt es nicht weniger beeindruckend als ein echtes.
Er stellt sich vor. Obwohl ich mir unbedingt seinen Namen merken möchte, will es mir nicht gelingen. Schließlich bin ich schon aufgeregt genug wegen des Tanzes, den er mir in nur einer Stunde beibringen will, und habe einfach andere Gedanken im Kopf.
Zum einen hege ich die Befürchtung, dass es sich vielleicht nur um eine Touristenattraktion handeln könnte: »Oh, der Wilde zeigt dem weißen Mann den Haka.« Ich bin einfach kein Freund von gespielter Kultur, von vorgegaukelter Natürlichkeit.
Aber als wir anfangen, bekommt die Lehrstunde sofort etwas Persönliches und entfernt sich damit vom befürchteten Kitsch.Diese Erfahrung gehört mit zu den eindrucksvollsten Dingen, die ich bis jetzt auf meiner Reise erlebt habe.
Mit ganz ruhiger Stimme erklärt mein Lehrer mir, dass der Haka ein Tanz sei, der zu verschiedenen Anlässen aufgeführt werde, sei es nun bei einer Feier, einer Bestattung oder – und das ist sein bekanntester Zweck – zu einem Kampf.
Einiges weiß ich schon darüber. Es gibt verschiedenste Formen des Haka-Tanzes, und das nicht nur in Neuseeland, sondern in ganz Polynesien. Sehr deutlich sieht man diese Unterschiede vor den Spielen der All Blacks, der neuseeländischen Rugby-Nationalmannschaft. Hin und wieder gibt es Bewegtbilder im Zwischennetz, die heißen so was wie »All Blacks vs. …«, und das kann dann Australien, Tonga oder Samoa oder ein anderes Land in der Nähe sein. Wenn man genau auf die Bewegungen achtet, sieht man die feinen Unterschiede. Ich bin mir sicher, dass genaue Analysen zeigen, dass diese wie immer fließend sind. Ich denke das Wort Kontinuum findet hier wieder seinen Platz: Wir leben nicht in einer Welt mit verschiedenenRassen, Sprachen und Kulturen, sondern alles geht ineinander über, eine Grenze ist nicht erkennbar.
Nun stehe ich also einem leibhaftigen Maori-Krieger gegenüber. Sehe in seine Augen, spüre seinen Händedruck. Und wir begrüßen uns dabei natürlich wieder mit diesem Nasenstups, bei dem mir bis
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