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Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)

Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)

Titel: Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hoecker
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halbrunde Spitze des Geräts stieß man nicht nur gerne in den Oberkörper, um sie dann mit ruckhaften Bewegungen herauszudrehen, sondern mit Vorliebe gerne auch mal seitlich gegen die Schläfe, um den Schädel aufzuhebeln.
    »You will see the brain«, sagt er und schmunzelt.

    Der eigentliche Kampf läuft wie ein normaler Schwertkampf zwischen europäischen Rittern ab, halt nur ohne Ritter, Schwerter und Europa: Die Kämpfer müssen auf ihre Schritte achten, regelmäßig atmen und einen angemessenen Abstand einhalten.
    Toa nannte man die Krieger, welche das Taiaha perfekt beherrschten. Die brutale Eleganz im Umgang mit dem todbringenden Instrument wird nebenbei deutlich, wenn der Maori-Historiker Buddy Mikaere über die Kriegsführung seiner Vorfahren schreibt: Das Kampfgetümmel ganzer Schlachten soll zum Erliegen gekommen sein, weil gegnerische Truppen vom Kampf der Toa wie gebannt waren.
    Ich selbst bin vertieft in die maorische Kampfkunst, die mir mein Lehrer zeigt. Ob das noch Haka ist, kann ich im Moment wirklich nicht sagen, zu sehr bin ich beschäftigt. Schweiß läuft mir die Stirn herunter, und meine Hände versuchen krampfhaft, jede erforderliche Drehung des Taiaha korrekt auszuführen.
    Gerade hole ich mit der meterlangen Waffe aus, mache mit dem rechten Fuß einen großen Schritt nach vorne und … trete in die Speichen eines Rollstuhls.
    Sofort bin ich zurück in der Gegenwart. Natürlich wird alles gefilmt, wahrscheinlich, um mich dann anhand des Videomaterials wieder zusammensetzen zu können, falls die Situation eskalieren sollte. Aber woher kommt dieses Gefährt plötzlich?!
    Tommy! Er hat in der Hoffnung, ein paar abgefahrene Kamerafahrten machen zu können, aus dem Sanitätsbereich einen fahrbaren Untersatz für Laufeingeschränkte holen lassen und rollt damit ununterbrochen zwischen meinem Gegner und mir herum.
    Manchmal kommt er mir dabei so nahe, dass ich diese Gehirnentblößungssache von vorhin gerne mal ausprobiert hätte.
    Irgendwann darf auch unser Kameramann Alex in den Rollstuhl und ein Minütchen drehen. Das wird dann wohl später auch genommen. Ist halt nicht verwackelt.

    Doch irgendwann muss ich aufhören. Schade, ich hätte gerne noch länger geübt. Noch mehr Details erfahren, mich noch tiefer in diese Gedankenwelt hineinversetzt.
    Aber etwas anderes steht auf dem Plan. Etwas, das noch tiefer in die Alltagskultur der Maori einführen soll: eine Show.
    Die Idee ist folgende: Wir Touristen, also alle gegenwärtigen Besucher des Kulturzentrums, zu denen auch meine Wenigkeit zählt, sind ein Stamm. Und als solcher besuchen wir quasi einen anderen, nämlich den der hier lebenden Wahiao. Einer von uns soll der Stammesführer sein. Und wie es der von mir eigentlich so geliebte Zufall namens Tommy will, bin ich das.
    Eine ältere Wahiao-Dame nimmt mich beiseite und sagt mir, was ich zu tun habe.
    »Nicht lachen …«, lautet ihr wichtigster Ratschlag.
    Und schon gehen bei mir alle Alarmglocken an. Wenn ich so etwas höre, bevor ich einem soziokulturellen Handlungsablauf beiwohne, zweifle ich schon an dem, was ich sehe, bevor ich es sehe. Denn alleine die Anweisung degradiert das, was gezeigt werden soll. Es ist, wie wenn man den Onkel mit zum ersten Theaterstück im Kindergarten mitnimmt und ihm sagt: »Nicht lachen, die meinen das ernst.«
    Nur, dass Kinder und Erwachsene halt nicht auf derselben Stufe stehen. Maori und wir aber schon.
    So warten wir alle zusammen unter dem Toreingang zum Rotowhio-Marae, dem Versammlungsplatz. Ich als Häuptling vor der Gruppe des Touristenstammes neben der Maori-Frau, die mir genau sagt, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich bin natürlich trotzdem sehr gespannt auf das, was kommen wird.
    Vor uns befindet sich ein großer befriedeter Innenhof, der an ein großes Haus angrenzt, das Te Aranui-a-Rua genannt wird und mit vielerlei Schnitzwerk verziert ist. Wenn hier die ganze Geschichte des Stammes mit Symbolen und Bildern in Holz geschnitzt wurde, dann wäre das quasi eine Guido Knopp’sche Geschichtsdoku des Stammes. Allerdings denke ich mir, dass bei dieser Form der Tradierung vermutlich recht viele Informationen verloren gehen und für Interpretationen ein größerer Spielraum ist. Leider hat mir bisher niemand die Details erklärt, aber ich frage mich, ob man die vielen Einzelheiten des Nibelungenliedes oder die Facetten der Charaktere von Harry Potter schnitzen kann, während man gleichzeitig die Handlungsstränge voneinander getrennt

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