Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
vorantreibt.
Es eine spontane Eingebung zu nennen, wäre wohl leicht übertrieben. Regelmäßig überkommt mich ein sportlicher Ehrgeiz, deine Behauptungen und Vermutungen zu widerlegen. An dieser Stelle habe ich mich etwas schwerer getan, aber 13 Kaffee und gefühlte 2,4 Kilo Backwaren später kam mir die zündende Idee.
Mitnichten vermag ein Bild, eine Skulptur oder ein sonst wie bildhaftes »Ding« die gleiche Botschaft zu vermitteln wie ein literarischer Text. Und jetzt kommt wieder das obligatorische »Aber«: Aber ganz so eindimensional, wie von dir angenommen, ist es ja nun doch nicht. Ich überspringe an dieser Stelle mal die Kategorien Schlachtengemälde, monumentale Reliefs und die chinesische Terrakotta-Armee, um dennoch zu beweisen, dass auch ohne Schrift komplexe Zusammenhänge und geschichtliche Ereignisse detailgetreu dargestellt werden können, und begebe mich direkt nach Rom in die Sixtinische Kapelle. Wenn ich nun beginne aufzuzählen, was dort alles an mythologischen Ereignissen einer bestimmten Religionsgemeinschaft abgebildet ist, müsste ich beim Verlag noch ein paar hundert Extraseiten bestellen. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass es neben den abgebildeten Sachverhalten von Metaebenen in Form von Symbolen, Größenverhältnissen und Ähnlichem nur so wimmelt. Aber nicht nur angesichts der mit diesen Kunstwerken erzählten Geschichten erfahren wir etwas über diese Bilder, die man ja gleichfalls gelegentlich auch aus Holz geschnitzt oder aus dem Granit befreit vorfindet, sondern die Art der Darstellung selbst, die verwendeten Farben, Formen, Kleidungsstücke usw., verraten uns eine Menge über den Zeitgeist der Schaffensperiode.
Ich möchte hier nicht entscheiden oder bewerten, ob die Literatur oder die bildende Kunst die aussagekräftigere Kunstform ist, sondern nur darauf hinweisen, dass die maorische Form der Tradierung von wichtigen Inhalten zu mehr fähig ist, als du es ihr zutraust.
Während ich darüber nachdenke, was für ein historischer Schinken da wohl ins Holz gedrechselt worden ist, öffnet sich die Tür und eine Gruppe Maori tritt aus dem Gebäude. Es sind vier Männer und drei Frauen, die sofort anfangen, laute Rufe auszustoßen, die Augen aufzureißen und die Zungen herauszustrecken.
Dann löst sich ein Mann, offenbar der Häuptling, aus der Gruppe und bewegt sich in gebeugter Haltung mit kämpfenden Bewegungen auf uns zu. In der einen Hand eine Waffe, sieht eine friedliche Begrüßung für mich anders aus.
Dabei behalte ich ihn natürlich dauernd im Auge, um den Blickkontakt nicht zu unterbrechen. So viel habe ich nämlich schon gelernt: den Blick abzuwenden ist ein Ausdruck von Schwäche und Unhöflichkeit. Auch keimt in mir der Gedanke, ob die Aufforderung »nicht lachen« vielleicht genau das meinte. Nur: Nach Lachen wäre mir ohnehin nicht zumute, weil ich aufs Schauen konzentriert bin. Mir wird ein wenig mulmig, während der Chef des anderen Stammes immer näher kommt. Mein Team, das mich aus sicherem Abstand von der Rasenfläche aus beobachtet und auf Video aufnimmt, wirft mir beruhigende Blicke zu. Auf meiner Stirn steht offensichtlich »Was geschieht hier?« geschrieben. In Arial 46!
Der Häuptling ist nun nahe genug herangekommen und legt einen Farnzweig auf den Boden: das Sinnbild der Friedfertigkeit und ein buchstäblich einladendes Signal. Anschließend zieht er sich zurück.
Es wird mir bedeutet, dass ich jetzt vortreten, den Zweig aufheben und dann rückwärts wieder zurückgehen solle. Die Kehrseite zu zeigen, wäre wohl eine Beleidigung.
Langsam gehe ich Schritt für Schritt nach vorne. Meine Wanderschuhe wirken auf einmal zu schwer, der Wind scheint sich vollkommen gelegt zu haben, und in den Rücken bohren sich mir die Blicke meines »Stammes«.
Schlagartig wird mir bewusst, dass ich mich selten so unwohl gefühlt habe.
Es ist schon eine sehr merkwürdige und beklemmend fremde Situation für mich: Ich bewege mich aufrecht, mit strengem Blick auf diesen halbnackten Mann zu, der am Boden kauernd auf mich zukriecht. Dabei verdreht er die Augen und stößt für mich unverständliche Laute aus, während er Grimassen schneidet. In Jeans und Softshell-Jacke komme ich mir plötzlich sehr seltsam vor. Merkwürdigerweise habe ich dieses Gefühl beim Kampftraining überhaupt nicht gehabt. Jetzt aber denke ich: Haben sich so vielleicht die Seefahrer gefühlt, als sie auf die ersten Maoris trafen und diese sie auf die für sie typische Art und Weise
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