Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
begrüßten? Ich kann fast verstehen, dass sich die Europäer wie Übermenschen vorkamen. Für uns sieht das alles sehr unterwürfig aus. Aus unserer arroganten Sicht sogar primitiv und schlicht. Zumindest geht mir das durch den Kopf.
Erfreulicherweise haben diese Gedanken, die dir selbstverständlich zustehen, deinen Kopf in dieser Situation nicht verlassen. Das könnte unhöflich wirken. Natürlich ist es gelegentlich schwierig, das fremdartige Verhalten von unbekannten Völkern nicht sofort mit den eigenen Maßstäben zu vergleichen und einzusortieren. Hier ist es wahrscheinlich vor allem die gebückte und kriechende Körperhaltung des begrüßenden Maori, die wir sofort mit animalischer Unterwürfigkeit assoziieren. Ich möchte aber herzlichst dafür werben, mit einer erfrischenden Unvoreingenommenheit an die Sache heranzugehen und das Gesehene nicht mit den eigenen Maßstäben zu bewerten. Wenn man dann noch die Gelegenheit hat, sich länger mit dem anderen zu beschäftigen, weicht das Befremden einer angenehmen Vertrautheit und damit auch das Gefühl der zivilisatorischen Überlegenheit. Die Neugierde hat im eigenen Denkapparat wieder ihren Platz inne und lädt ein zu forschen, was dieses Gebaren im Kontext der Maori-Rituale wirklich zu bedeuten hat.
Mein Gegenüber zieht sich zurück. Ich folge ihm und mit mir die Gruppe der Besucher. Wir gehen die Treppenstufen zum Rotowhio-Marae hinauf, das auch als Versammlungshaus genutzt wird. Nachdem wir unsere Schuhe ausgezogen haben, betreten wir den großen Raum. Hier wartet eine Bühnen-Show auf uns, bei der ein Maori-Kampftanz gezeigt wird.
Nach dem für mich so fremdartigen Ritual vor dem Haus ist es fast eine Erleichterung, sich die Show anzusehen, weil sie so offensichtlich für Touristen gemacht ist. Die Musik klingt für mich sehr europäisch, und es kommt auch eine Western-Gitarre zum Einsatz.
Zwei der vier Maori-Waffen auf der Bühne sind eigentlich Besenstiele, die Kordel zum Aufhängen ist noch dran. Das sieht bei Kampfbewegungen zwar immer noch respektabel, aber doch etwas billig aus. Dass zwischendurch am Elektro-Heizkörper auf der Bühne hantiert wird, fällt da kaum noch ins Gewicht. Diese Aufführung vermittelt so gar nichts mehr von der interessanten und stolzen Kultur, die ich am Anfang von HuiHeidi, der Frau im Eingangsbereich, und später von meinem »Lehrer« vorgeführt bekommen habe. Es sind einfach zwei komplett verschiedene Dinge. Ich denke die Bühnenshow ist eher wie die Schuhplattler in Bayern, bei denen für japanische Touristen Holzböden strapaziert werden …
Es folgt ein herzlicher Abschied von allen, die uns den Tag über begleitet und betreut haben. Auf dem Weg zu den Autos fragen wir uns allerdings, was das denn eben war und was es mit uns warum macht.
Was könnten wir selbst zeigen, damit eine andere Kultur so verwirrt von uns ist wie ich nach dieser Vorführung der Maori? Was finden andere an uns merkwürdig? Was ist verstörend?
»Vielleicht müssten wir einen Fremden auf ein Ritterfest mitnehmen«, überlegt Jakob. »Da zeigen wir doch auch, wie es früher bei uns war. Der fürsorgliche Ritter, die schüchterne Dame.«
»Nun ja, da zeigen wir aber Geschichte – oder das, was wir uns unter unserer Geschichte vorstellen«, widerspricht Elke. »Etwas, das wir selbst als historische Sache ansehen und eigentlich bis auf ein paar idealisierte Werte wie Treue und Ehre nicht wieder haben wollen. Sieht man mal von ein paar merkwürdigen Einzelmeinungen ab.«
»Was ist mit einem Gottesdienst?«, mache ich noch einen weiteren Vorschlag, für einen Fremden eine durchaus irritierende Veranstaltung.
»Hm … war das, was wir gesehen haben, religiös motiviert? Es ging ja nicht um Glaube oder die Anbetung von Göttern, sondern um Alltagsrituale«, meint Renate.
Wir einigen uns darauf, dass wir Fremde am ehesten zu einem Cocktailempfang oder einem gemeinsamen Abendessen mit dem Bürgermeister mitgenommen hätten – samt deutschen Liedguts, selbst geträllert.
Auch wenn ich noch nachdenklich bin, verspüre ich eine innere Zufriedenheit, als ich im Wohnmobil sitze und über den Tag nachdenke. Vielleicht wäre es besser gewesen, zwei Maori-Gruppen sich begrüßen zu lassen und einen Sprecher dabeizuhaben, der erklärt, was da passiert. Aber nein, das wäre zu verkopft und wir wären emotional nicht so stark eingebunden gewesen.
Und aller Wahrscheinlichkeit nach hätte es dann auch nicht so viele Gedanken bei mir ausgelöst.
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