Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
Stahlboden der Kapitänskajüte plumpse. Teile der geäußerten Laute kommen mir bekannt vor.
Der Skipper erzählt mir anschließend, dass an dieser Stelle normalerweise gar kein Mensch komme, sondern immer nur der Hund der Familie. Er trage den alten Sack zum Boot und den neuen zurück zum Haus. Aber der treue Gefährte sei bereits seit ein oder zwei Tagen nicht mehr aufgetaucht, und die Dame habe darum gebeten, dass wir Ausschau hielten, ob er sich irgendwo in den Felsen verlaufen habe.
Ich versprach, meine Augen aufzuhalten, aber ein kurzer Blick Richtung Land machte mir klar, dass es vollkommen aussichtslos war, dort einen Hund entdecken zu wollen.
An der nächsten Anlegestelle zückt der Kapitän auf einmal nicht nur den Sack Post, sondern auch noch eine Tafel Schokolade, einen Knochen, ein Stück Brot und kleine getrocknete Fleischkügelchen. Als wir dann an der Anlegestelle ankommen, weiß ich, warum: Dort steht ein Mädchen (Schokolade), an ihrer Seite ein Hund (Knochen), die Mutter (Post) kommt dazu und hat eine Katze im Schlepptau (getrocknete Fleischkügelchen). Aber was ist mit dem Brot? Auf einmal tauchen Hühner auf, die über den Steg auf uns zulaufen. Noch bevor sie ankommen, haben wir schon wieder abgelegt.
In der Post, so klärt mich der Skipper auf, seien die täglichen Hausaufgaben des Mädchens. Die Kleine besuche keine normale Schule, sondern so eine Art Fernschule.
Alle anderen an Bord finden das voll schön und freuen sich für das Mädchen, das inmitten der abgeschiedenen Natur aufwachsen darf. Ich habe für derlei romantische Empfindungen einfach zu viele dänische Krimis gelesen …
Das verstehe ich nicht. Ich lese aber auch keine dänischen Krimis. Genaugenommen lese ich eh viel zu wenige Bücher. Wahrscheinlich habe ich in kurzer Zeit mehr Bücher geschrieben als in letzter Zeit gelesen. Das ist angesichts des überschaubaren Umfangs meiner Bibliographie allerdings nicht gerade rühmlich.
Nun ja. In den dänischen Krimis, die ich gelesen habe, kommen unvorstellbar böse Menschen vor, die in unglaublich mannigfaltiger Art und Weise unfassbar viele Menschen in unüberschaubar langer Zeit töten. Beim ollen Olsen haben die meist alleine mit ihren Eltern auf irgendwelchen einsamen Höfen gelebt. Und, na ja, die hatten eine echt üble Kindheit und niemanden, dem sie sich anvertrauen konnten.
Als ich auf diese Familie am Steg zurückblicke, kann ich mich nicht dagegen wehren, dass mir düstere Gedanken durch den Kopf geistern. Diesbezüglich, dass dieses Mädchen alleine mit seinen Eltern lebt. Abgeschieden und dem Wohl und Wehe der Eltern ausgeliefert. Dann, eines Nachts, gelingt ihm die Flucht, den Steg entlang zum rettenden Boot. Sie schafft es, einige Meter vom Ufer wegzurudern, die Hoffnung gibt ihr Kraft. Aber das Seil, mit dem das Boot vertäut ist, treibt hinter ihr im Wasser. Eine Hand greift in das dunkle Nass und umschließt den Knoten am Ende. Ein kurzer Ruck lässt das Mädchen zusammenzucken, sie muss sich mit einer Hand abstützen. Sie dreht sich langsam um, und während sie Stück für Stück zurück zum Land gezogen wird, schält sich mit jedem Meter die Fratze der wahnsinnigen Mutter aus dem Nebel, und das Mädchen hört bereits das wütende Schnaufen des Vaters …
»Die hat’s gut!«, sagt Renate hinter mir.
»Was? Wo? Wer?«
»Das Mädchen. Umgeben von Wald – ein Schritt, und sie steht in der Natur. Ruhe und Entspannung, viel Zeit mit den Eltern und dem Hund. Und wenn sie will, fährt sie einfach mit dem Motorboot in die Stadt.«
»Ja, schön …«, stimme ich nach kurzem Zögern zu.
Wir führen unsere Runde noch zu Ende. Kurz bevor das Boot denäußersten Punkt auf der Route erreicht hat, legen wir in der Bucht an, wo auch James Cook oft vor Anker gelegen hat. Mehrere Gedenktafeln weisen auf seine Besuche hin. Nachdem wir dort selbst auch eine Stippvisite absolviert haben, können wir den Tag erfolgreich für beendet erklären.
8 | W HALE W ATCHING
Apnoetauchen von wahren Profis
er gestrige Tag hat mich erst spät ins Hotel gespült, da wir nach unserem Ausflug über die Sounds noch die lange Küstenstraße von Picton nach Kaikoura bei einem grandiosen Sonnenuntergang genossen haben.
Der neue Morgen beginnt für mich deshalb mit einem sehr frühen Weckruf. Ich sehe nur eine Möglichkeit, meinen matten Körper in irgendeiner Form in Form zu bringen: duschen.
Plötzlich geht der Rauchmelder los. Es piept im Schlafzimmer, im Flur, im Nachbarzimmer und
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