Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
im Wohn-/Essbereich. Ja, es ist ein Apartment.
Eiligst wickle ich mir das Frotteehandtuch um die Hüften und gehe vorsichtig durch die Wohnung. Schritt für Schritt wandle ich über den Teppich, immer auf der Lauer, ob sich da nicht eine Flamme von der Seite meiner bemächtigen will. Ich schnuppere und beobachtete, ob mir schwindelig wird.
Ich gehe zur Eingangstür und befühle sie. Kalt. Also scheint alles in Ordnung zu sein. Ich öffne. Nichts.
Ich schlurfe zurück ins Bad und begutachte die Situation. Für mich stellt sich die Sache nach einiger Analyse ganz einfach dar: Der Wasserdampf hat beim Duschen das Badezimmer verlassen. Ist an die Decke des Schlafbereichs gekrochen und hat dort den Kontakt des Rauchmelders ausgelöst.
Jetzt muss ich nur noch warten, bis das nervige Gepiepse wieder ausgeht.
Doch dazu lässt man mir keine Zeit.
Trotz der frühen Morgenstunde klopft es an der Tür. Ängstlich erwartend, dass mehrere Feuerwehrleute in schicken Uniformen das Apartment stürmen und mich zu Boden werfen, um mich dem sicheren Tod zu entreißen, drücke ich die Klinke runter und spähe hinaus.
Es ist ein Mann in Bademantel und Hausschuhen. Der Vermieter. Bei ihm in der Wohnung geht auch ein Alarm los, wenn irgendwo in der Apartmentanlage Feuer gemeldet wird.
Wir gehen durch die Wohnung, und ich hoffe, dass diesen Anblick nie jemand bei Facebook posten wird: Ein älterer Herr im Bademantel, gefolgt von einem jungen muskulösen Mann, auf dessen sonnengebräunter Haut sich noch die letzten Wassertropfen zu Perlen formen, während ein Handtuch sich um den ansonsten unbekleideten Körper schmiegt. Beide gehen Richtung Schlafzimmer und …
… eine halbe Stunde später sitzt unser Team im Auto und fährt Richtung Meer.
Wahnsinn, hier wird sich erneut einer meiner Kindheitsträume erfüllen.
Seit meinen unschuldigen zehn oder elf Jahren bin ich begeisterter Wal-Fan. Ich habe damals sogar ein eigenes »Informationsbüro für Walangelegenheiten« in meinem Kinderzimmer eingerichtet. Der Balkontisch diente als Büromöbel, dort hatte ich sämtliche Literatur über Wale aufgereiht: WAS IST WAS und ein Bildband Tiere des Meeres . So wartete ich auf interessierte Kundschaft. Als Kind ist man natürlich ein wenig außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung, und so musste ich mir meinen ersten Kunden selbst akquirieren: meinen Vater. Er musste für seine Schulklasse einen Infozettel wollen. Auch der zweite Kunde war schnell gefunden: mein Vater, der für eine Forschungsreise vorbereitende Informationen wollen sollte. Und dann stand auch schon der dritte Kunde in der Tür: meine Mutter, die uns beide zum Essen holte.
So ist es verständlich, dass ich mich schon auf der Fahrt zum Einsatzort über die Vorauswahl der Vorschläge zur heutigen Aufgabe freue, die ja keine Aufgabe ist, weil freiwillig. So freiwillig, dass ich in diesem Fall auch Geld dafür bezahlt hätte.
Denn sämtliche Ideen hatten mit Walbeobachtung zu tun: »Iss nach dem Whale-Watching einen Hummer«, schlägt Ursula aus Düsseldorf vor. »Gib auf einer Wal-Fahrt den Delphinen Nachhilfe in Deutsch«, ist eine Idee von Friedrich aus Eitorf, und: »Moderiere eine Wal-Beobachtungstour«, entspringt dem Geist von Hildegard aus Jülich.
Folglich ist heute in jedem Fall Whale Watching angesagt. Ich habe so etwas bereits zwei Mal gemacht. Einmal sah ich Buckelwale vor der amerikanischen Ostküste. Es ist mir ein wenig unangenehm, es einzugestehen, aber ich hatte Tränen in den Augen. So sehr haben mich diese Riesen des Meeres gerührt.
Das macht mich ja ganz schwermütig. Kaum eine Gefahr auf diesem Planeten vermag es, deine Emotionen zu wecken. Nerven wie Stahl. Und jetzt werden die Augen bei ein paar Tonnen Meeressäuger feucht. So erlebe ich dich ja sonst nur, wenn du zum wiederholten Mal den Film Der kleine Lord schaust, oder bei der Auslieferung des neusten iPads.
Ein andermal war ich vor der kanarischen Insel La Gomera auf Grindwal-Suche unterwegs. Diese kleinen, eher delphingroßen Geschöpfe waren weniger beeindruckend, dafür aber sehr interessant, zumal wir beobachten konnten, wie Walkinder vor dieMütter schwammen, um dann gestupst zu werden. Sehr süß. Später erzählte uns jemand, dass Grindwale ihre Toten manchmal auf diese Art ein Stück weit mitnehmen …
Aber ein solches Spektakel ist heute nicht zu erwarten. Denn hier stehen Pottwale auf dem Reiseplan, die größten Zahnwale überhaupt. Diese habe ich noch nie gewatcht.
Um sie zu sehen,
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