Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
versichert.
Die Übergabe ist allerdings schon komplex genug: Das Schiff nähert sich dem Steg, ein Angehöriger einer der dort ansässigen zwei oder drei Familien ist dafür zuständig, die abzuschickende Post in einem Sack zu übergeben und gleichzeitig den Leinenbeutel mit den neuen Sendungen in Empfang zu nehmen.
Das System ist ausgeklügelt. Hängen Flaschen oder Kanister am Steg, weiß der Kapitän, der die Bewohner hier alle mit Namen kennt, dass er weiterfahren kann und beim folgenden Halt seine Fracht übergibt.
So fahren wir von Steg zu Steg. Hier gebe ich einen Sack ab, da bekomme ich einen. Hier muss ich mich etwas strecken, da … auch. Aber der Kapitän lenkt das 30 Meter lange Boot so geschickt an die Holzkonstruktionen heran, dass ich meine recht instabile Körperhaltung kaum ändern muss. Erst denke ich, dass ich niemals an den Empfänger der Post heranreichen werde – auf einmal bin ich nah genug dran.
Die ganze Zeit ist das stärkste Gefühl ein durchdringendes »Wow!«. Was für eine Landschaft! Wie so oft denke ich daran, dass das Herumreisen von Tag zu Tag keine Zeit lässt, die Ziele in Ruhe zu genießen.
Ich muss an den heutigen Vormittag denken. Um zu zeigen, was man in Neuseeland alles anstellen kann, bin ich als Kanufahrer übers Wasser gepaddelt. Ich steuerte kurz auf die Kamera zu und erzählte, was ich an diesem Tag vorhatte. Der Kanuverleih, dessen Boote wir nutzen wollten, gehörte zu einer kleinen Lodge. Angeschlossen war ein kleines Gelände mit endemischen Tieren, einer Vogelaufzuchtstation und einer Reihe von Kunstwerken, die an den Bäumen hingen und auf dem Areal verstreut waren. Das Ganze lag eingebettet in eine der unzähligen Buchten. Nach dem Rundgangmachten wir eine kleine Pause und genossen eine Mahlzeit im Freien. Hier eine Woche einfach nur zu sitzen, aufs Wasser zu schauen und hin und wieder mit dem Kajak hinauszufahren oder in einem mehrtägigen Marsch den berühmten Queen Charlotte Track entlangzuwandern, das wäre mein Wunsch.
Jetzt auf dem Schiff weht mir der Wind um die Nase und meine nicht vorhandenen Haare ins Gesicht. Ich konzentriere mich völlig auf meine Postbotentätigkeit.
An einer Stelle bin ich allerdings leicht überfordert. Wir fahren mit dem Boot auf den Steg zu, wo ich bereits eine Person erspähe. Nun kommt wieder der spannende Moment: Besitzt der Kapitän genug Nerven, das Schiff so lange am Steg zu halten, bis ich es geschafft habe, den Sack an Land zu befördern, oder dauert es ihm einfach zu lange, und er dreht wieder ab, während ich noch halb mit dem Oberkörper zwischen Steg und Boot hänge?
Ich stelle mich also in Position, halte den Sack schon mal mit der einenHand hoch und mich mit der anderen an der Fensterkante fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
Endlich, das Boot berührt sanft die großen hölzernen Stämme, die nur wenig nachgeben, weil sie fest im Boden verankert sind. Es knirscht leicht, der Steg ächzt unter der Kraft des Bootes.
Ich lehne mich aus dem Fenster, meine Finger krallen sich am kalten Metall fest. Dann strecke ich die Hand aus und reiche den Postsack hoch, wo eine Frau den Beutel packt und mir einen anderen reicht. Dabei lächelt sie mich mit dem internationalen Gesichtsausdruck an, der bedeutet: »Ich kenn dich nicht, tu mir nichts, aber geh wieder.«
Ich lächele zurück. »Keine Angst, hänge eh nur an drei Fingern, wenn ich loslasse, falle ich ins Wasser«, soll das heißen.
Aber dann versucht sie mich doch noch zu verwirren, indem sie einen Schwall Worte auf mich herabregnen lässt.
Ich lächele tapfer weiter. »Das ist sehr interessant«, geht es mir dabei durch den Kopf, »also wenn ich es verstehen würde … Mann, Sie reden aber viel, ich versteh nur nichts … Warum hört sie nicht auf zu reden und atmet zwischendurch mal?«
Das Einzige, was ich heraushöre, ist, dass das Wort »dog« dauernd auftaucht. Ich will mich nicht beleidigen lassen, nur weil durch das verkrampfte Lächeln mein Mund so weit aufgerissen ist, dass man die gefletschten Zähne sehen kann, und mir nun auch noch die Zunge raushängt.
Ängstlich blicke ich mich um, ob mich die gesprächsfreudige Dame auf dem Steg vielleicht vor einem Canidae warnen will. Ich sehe aber keinen. Zum Glück kann ich sehr hilflos aus der Wäsche gucken, und der Briefverteilungsprofi, der bis jetzt am Ruder gestanden hat, übernimmt.
Das kurze Gespräch verfolge ich dann, so gut ich kann, währendich zurück auf den nassen harten
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