Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
nicht bei dem Albatros, denn der Skipper hat irgendetwas gesehen, das auf einen Wal hinweist. Es wird wohl der sogenannte Blas gewesen sein, wie der Bordinformant erklärt. Ein mehrköpfiges Team der Firma, die die Walbeobachtungen anbietet, ist mit an Bord und versorgt die Touristen mit Infos. Ich bin zwar kein Tourist, sondern bei der Arbeit, aber die Informationen nehm ich trotzdem mit.
Wale atmen beim Auftauchen ihre körperwarme Luft aus. Das darin befindliche Wasser kondensiert dann in der kälteren Luft. Dadurch entsteht eine Nebelwolke, die sehr charakteristisch für jede Walart ist. Doppelblas, Einfachblas, Verbundblas und Sicherheitsblas.
… sowie Panzerblas, Buntblas, Blasbaustein, Blasreiniger, Einmachblas und ein Blas Kölsch.
Der Pottwal hat eine charakteristische Wolke, die in einem Winkel von ungefähr 45 Grad über der Wasseroberfläche nach vorn geblasen wird, daran ist er offenbar sehr leicht zu erkennen. Ich blicke aus dem Fenster und sehe – nichts.
Zum Glück sitzen wir aber in einem Hochgeschwindigkeitsboot. Darin gibt es spezielle Schalensitze, die den Körper stabil halten, falls wir von einer seitlichen Welle aus der Bahn geworfen werden sollten. Leider sind diese Sitze auch saugemütlich, und ich schlafe ein. Das ständige Auf und Ab trägt sicher dazu bei. Es ist ein bisschen so, wie auf dem Arm der Eltern zu liegen, während sie einen hin und her wiegen, während ein schönes Liedlein ertönt, das den Schlaf herbeiruft. Nur halt, während dieEltern Achterbahn fahren und nicht singen, sondern »Ahhh« und »Ooooohhh« schreien, wie die Passagiere auf dem Katamaran.
So bin ich froh, dass wir während der Fahrt nicht herumlaufen dürfen, habe ich damit doch eine Ausrede, warum ich dauernd die Augen zumache, während ich meine müden Knochen immer tiefer in das Sitzmöbel versenke.
Ich bin einfach müde. Jetlag ist das schon lange nicht mehr. Ich hatte erwartet, so etwas wie Urlaub und Erholung zu erleben, aber wir kommen abends oft erst spät in unser Hotel, und am nächsten Morgen geht es meist schon früh wieder los.
Das Boot bringt uns immer weiter weg von der Küstenstadt Kaikouras. Plötzlich wird es langsamer und hält dann ganz an. Alle rennen an Deck und schauen sich draußen um.
Und tatsächlich, da ist einer. Oder besser etwas. Mal sehe ich etwas, das ich für eine Rückenflosse halte, und hin und wieder nebelt es nach oben.
Wirklich erstaunlich, wie so ein riesiges Tier, das eigentlich nur ein klein wenig seines Rückens aus dem Wasser reckt, so beeindruckend sein kann. Es macht – gar nichts. Es liegt da rum und treibt vor sich hin.
Wahrscheinlich denkt es sich: Wenn ich die Touristen nicht sehe, sehen die mich auch nicht. Ziemlich dumm für ein Tier mit einem Neun-Kilogramm-Gehirn.
So ein Putzeimer voller Hirn klingt ja erst mal cool. Aber bei einem Gesamtgewicht von bis zu 50 Tonnen macht das nur einen Anteil von 0,018 Prozent aus. Beim Menschen, den wir ausnahmsweise mal beide als intellektuell überlegen ansehen wollen, kommen wir auf einen Anteil von ungefähr 1,85 Prozent. Ohne in denFächern Biologie und Walfang jemals nennenswerte Erfolge verzeichnet zu haben, spekuliere ich einfach mal, dass diese Relation etwas mit der Intelligenz des jeweiligen Hirnbesitzers zu tun hat. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass der Wal den Tag überwiegend damit verbringt, im Meer herumzudümpeln, statt wie der Homo sapiens, der seine Zeit besser nutzt und gelegentlich neue Technologien entwickelt? Zum Beispiel das Internet, damit er dann dem Rest seiner Spezies mitteilen kann, dass er gerade mit Dümpeln beschäftigt ist.
Die Menschen um uns herum sorgen sich nicht um den Verstand dieser größten aller Mammalia – denn inzwischen erspähen wir immer mehr Exemplare der Gattung Physeter catodon, die im Wasser treiben.
»Da, schau! Ui! Ah! Toll …! Das ist …! Also wirklich! … Nein! Ja! Wow!«, erklingt es von allen Seiten.
Plötzlich knarzt eine trockene Ansage aus dem Bordlautsprecher.
»Take your camera. Now! And away.«
Hä? Ich versteh gar nichts. Man soll die Kamera ziehen, und dann ist der Wal weg?!
Erst nach dem zweiten oder dritten Mal verstehe ich, was es bedeutet, ein Pottwal-Watcher zu sein. Man wartet auf das Abtauchen der Tiere. Kurz vorher heben sie ihre Fluke an und winken quasi zum Abschied. Danach können sie dann für fast anderthalb Stunden weg sein.
Immer wieder taucht ein anderes Tier der Schule unter.
Im Laufe der Zeit habe ich es dann
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