Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
nächstgelegenen Kiesstrand, steige aus, sage meinen Satz: »Hm … das ist sehr schön, aber ich finde bestimmt etwas noch Schöneres«, und steige wieder ein. Perfekt halte ich das Gleichgewicht, mit einem Fuß stoße ich mich ab, und nach dem Einsteigen, das Paddel in der Hand, fahre ich sofort los. Die große Gemeinde der Paddelfreunde wird in mir einen der ihren erkennen.
Ich sehe, wie Tommy den Mund bewegt, dann brüllt Jakob: »NOCH MAL!« , quer durchs Naturschutzgebiet. Zwei Südinseltakahe sterben durch Hörsturz. Schade, sind selten.
Ich paddle wieder zurück, wende, lege an, steige aus.
»Hm … das ist sehr schön, aber ich finde bestimmt etwas noch Schöneres!«
Professionell einsteigen, losfahren. Ich werde Fanpost von Paddlern bekommen.
»JETZT DA!«, wiederholt Jakob den Flüsterbefehl von Tommy, der gleichzeitig im Boot steht und wie ein Dirigent mit den Händen herumfuchtelt.
Ich fahre 100 Meter quer über den Fjord-Arm an Land, steige aus. »Hm … das ist sehr schön, aber ich finde bestimmt etwas noch Schöneres«, rein, los. Es werden wohl Kanukalender mit mir gemacht werden.
»so jetzt nur das einsteigen«
Ich erschrecke: Tommy redet wieder direkt mit mir, denn ich bin gerade direkt neben dem Schlauchboot.
Ich also wieder an Land, aussteigen, einsteig … Platsch! Ich verliere das Gleichgewicht, lande im Wasser, versuche mich mit der Hand abzustützen, das Paddel stößt hart gegen meinen Unterkiefer und schiebt die linke Wange über das Jochbein. Der Ärmel wird erst nass, dann kalt, die enge Leggins noch enger.
»super lustig nehm ich«
»Aber das sieht doch voll albern aus, alle werden denken, ich bin ein Volltrottel!«
»ja die werden dich lieben«
»Aber … ich will vielleicht gar nicht geliebt werden.«
»doch willst du wir müssen weiter«
»Tommy, ich …«
Doch dann fällt mir ein Trick ein.
»In meinen Augen kann man lesen: ›Neuseeland ist scheiße!‹«, sage ich zum Kunden, der immer gut gelaunten Neuseelandfachfrau Awesome-Amazing-Katie.
Stille.
»Okay, wir machen’s noch mal«, sagt sie.
Ich liebe Werbung.
Es geht also noch eine Weile so weiter, mal paddeln, mal gezogen werden. So fahren wir noch ein wenig den Arthur River rauf, der hier im Deepwater Basin fast unmerklich in den Milford Sound übergeht.
Ich steige aus, ein, aus, und irgendwann fahre ich einfach nur noch hin und her, wegen der Bilder.
Dann bin ich fertig und bedaure doch irgendwie, die kleine Kajakrunde beenden zu müssen. Denn selbst so kurze Momente wecken bei mir immer Erinnerungen an größere Bootstouren, und ich verspüre den unbändigen Wunsch, länger zu bleiben und einfach nur von Bucht zu Bucht zu fahren und dann irgendwann irgendwo zu zelten. Warum bin ich nur beruflich hier?!
Warum bist du nur beruflich da? Na, weil es einfach schöner ist, da zu arbeiten als in Hückeswagen, Bitterfeld oder in meiner kleinen Kölner Kemenate, wo seit Tagen der Regen am Fenster herunterläuft! Kennst du die Formulierung: »Jammern auf hohem Niveau«? Nein? Das dachte ich mir.
Lieber Tobi, du vergreifst dich im Ton. So kann nur jemand reden, der zu Hause gemütlich auf dem Sofa sitzt, den Fernseher vor sich, den Kühlschrank nebenan und das elektrische Feuer an der Decke. Ein Griff zur Rechten, eine Drehung mit der Hand und es wird warm im Zimmer, ein Schritt aus dem Raum, und man kann heiß baden oder wenigstens duschen. Umgeben nur von seinen Liebsten, oder besser, noch nicht mal von denen.
Aber ich bin hier, weit weg, mit mehr oder weniger fremden Menschen. Muss mein Fortbewegen mit Muskelkraft erreichen, Feuchtigkeit zieht durch meine Kleidung, Wind gerbt mein Gesicht, Mücken zerstückeln meine Haut. Und bei dem Ganzen kann ich noch nicht mal meinen Blick schweifen lassen, weil ich dauernd auf irgendwelche Berge schaue, deren Hänge mit Pflanzen bewachsen sind, Bäume und Sträucher stehen dicht an dicht. Das Ganze besteht aus so unendlich vielen Grüntönen, dass man meinen könnte, jedes einzelne Blatt wolle die Freude über das kühlende und belebende Nass, welches unentwegt von oben herabfällt, mit einer besonders schönen Schattierung zeigen.
Armer Kerl! Dann trotte ich Glückspilz jetzt mal zu meinem Kühlschrank. Fische einen seit Tagen abgelaufenen Joghurtdrink heraus, dessen Ingredienzien garantiert mehr »E« enthalten, als das Wort Neuseeland, setze mich damit vors Fenster und versuche, irgendwo im Dunst aus Regengischt und Abgasen den fünf Kilometer langen Güterzug auf
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