Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
windgeschützte Ecke des Fjords verkrochen.
Zum Glück ist es aber nur das Ächzen des Schiffes, als der Kapitän die Motoren anwirft und mit dem Kommando »Volle Fahrt zurück!« verhindert, dass sein Schiff in den Felsen eindringt.
Nicht, dass es durch den Aufprall zu einer Ölpest gekommen wäre. Die gab es schon mal: im Februar 2004. Man vermutet, ein Umweltschützer habe einige Tausend Liter Diesel in den Fjord geleitet, um die Umwelt vor dem Tourismus zu bewahren. Gut, da fragt man sich schon, ob der vorher einen halben Liter aus dem Tank durch die Nase gezogen hat.
Dann geht es zurück zum Hafen. Wir haben nichts mehr zu tunund schlendern über Deck. An Bord kann man essen und sich so viel Tee holen, wie man möchte, das ist bei dem Wind und der Kälte auch nötig. Tja, man hätte es auch haben können wie eine Reisegruppe nach uns: Oben ist bereits ein separater Raum reserviert, in dem die Tische bereits eingedeckt sind. Servietten stehen schön gefaltet auf den Tellern mit Schmuckrand, das Besteck ist liebevoll drapiert, und Sektgläser stehen bereit, um gefüllt zu werden.
»Oh, für wen ist das?«, frage ich eine aus Deutschland stammende Dame, die hier auf dem Schiff ihren Dienst tut.
»Für ein Gruppe Amerikaner«, antwortet sie.
Okay, so geht es also auch. Ich vermute, das sind ein paar der Letzten, an denen die Wirtschaftskrise spurlos vorübergezogen ist, und gehe mir noch einen Tee im Pappbecher holen.
Im Hafen angekommen, ist es dann endlich wieder windstill.
Und nach kurzer Zeit machte es »sssSSSssss«. Die Mücken sind wieder da.
Den ersten Teil unseres Filmes Bernhard sucht einen Zeltplatz haben wir auf dem Schiff gedreht. Jetzt steht die nächste Station an, und das Transportmittel für den Weg dorthin soll ein wenig kleiner sein.
In der Nähe des Hafens, gerade einmal zwei Autominuten entfernt von der Stelle, an der wir angelegt haben, gibt es einen Kanuverleih. Man holt uns mit einem Jeep ab, und wir rollen auf den staubigen Platz, wo ein ganzer Berg Boote liegt. Die Geschichte für unser Tagesvideo setzt sich nun damit fort, dass ich mit dem Kanu versuche, eine schöne Stelle zu finden, an der ich dann mein Zelt aufschlagen kann. Aber schnell darf es nicht gehen, nein, ich soll jedes Mal so etwas sagen wie: »Hm … das ist sehr schön, aber ich finde bestimmt etwas noch Schöneres«.
Gesagt, getan. Das Boot steht bereit, der Außenborder am Schlauchboot wird ins Wasser abgesenkt, und Alex, unserKameramann, sitzt schon an der luftgefüllten Reling und blickt in den Sucher seiner volldigitalen Bildaufzeichnungsmaschine.
Ich muss mich erst mal umziehen. In so einem Kanu ist man ja nah an der Wasserlinie, und es könnte nass werden. Der Kanuten-Guide weist mir den Weg, und ich betrete ein großes Zelt in der Nähe, wo die Kanugäste passende Kleidung verpasst bekommen. Hinter einem Vorhang aus Handtüchern ist so was wie ein geschützter Bereich. Dort steige ich aus meinen Klamotten und bekomme richtige Kanukleidung: Eine enge Frottee-Leggins, die schon mal jemand getragen hat, ein schweißabsorbierendes T-Shirt, das schon mal jemand getragen hat, und eine Fleece-Jacke, deren Kragen dauernd an meinen Mund kommt und mir den Speichel von den Lippen feudelt. Auch die hat schon mal jemand getragen.
Zum Glück bin ich nicht fies vor so einer Sache. Aber vor drei solchen Sachen schon …
Schließlich wird mein Outfit noch um eine alberne gelbe Schwimmweste ergänzt. Nachdem nun wirklich jede Attraktivität aus meinem Erscheinungsbild getilgt ist, stellt sich das ganze Team um mich herum auf.
»Eh, geil, siehst du scheiße aus, komm, mach mal ’n Foto!«, höre ich ermutigende Rufe. »Is nur für Facebook«
Das können keine Freunde sein.
Du hast dich dazu hinreißen lassen, eine Schwimmweste zu tragen? Wie soft dich doch eine Insel voller Schafe macht!
Ich erinnere mich an eine gemeinsame Kanufahrt auf einem der großen rheinischen Urströme: der Sieg. Wir zwei Helden und dein noch heldenhafterer Hund in einem Boot. Leichtes Gepäck für zwei Tage Camping. Bevor ich an Bord der schaukelnden Zwei-Mann-Plastikkiste ging, streifte ich mir noch eine leuchtend rote Weste über und wollte dir gerade in die deine helfen, als du mich mit einem süffisanten Grinsen darauf aufmerksam machtest, dass du einerseits ein ausgezeichneter Schwimmer seist und dass andererseits die Sieg an diesem Tag an den meisten Stellen gerade mal die obligatorische Handbreit Wasser unter dem Kiel versprach.
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