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Am Schwarzen Berg

Am Schwarzen Berg

Titel: Am Schwarzen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katharina Hahn
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es ein Internet-Café. Sie brauchten sowieso ein paar Sachen, die im Dorf nicht zu bekommen waren. Frisches Fleisch, Handcreme. Sie würde ihnen ein paar Zeilen schreiben. Damit sie ihre Ruhe hatte. Vor Georg. Und überhaupt. Sie könnte die Mail an die Praxis schicken. Betreff: Persönlich, Peter. In der linken Schublade lagen ein vergilbter Block und zwei Bleistifte. Mia saß vor dem leeren Blatt und entwarf einen Brief an ihre Schwiegereltern. Es wurden mehr als vier Seiten. Am Schluß wußte sie nicht mehr, was sie eigentlich geschrieben hatte.
    Sie legte sich ins Bett, rollte sich auf die Seite und wartete, bis der dämmerige Himmelsausschnitt an der Decke sich vollständig entschleiert hatte. Die Sonne füllte das Zimmer mit Hitze und gelbem Licht. Ivo und Jörn kamen herein, hinter ihnen die Katze. Sie gingen zum Frühstück hinunter in die Küche. Mia füllte den Kindern ihr Müsli ein. Die trockene Nuß- und Haferflockenmischung rasselte in die leeren Schalen. Als sie der maunzenden Orangina das Feuchtfutter in den Napf kratzte, hielt sie vorsichtshalber den Atem an. Das Tier fraß langsam und gesittet.

12 Carla drückte das Tor mit der Schulter auf und schob sich in den Nachbargarten. Sie hielt eine große Servierplatte in den Händen, die mit einem karierten Geschirrtuch bedeckt war, und lief neben der Treppe durch die Wiese. Über die Kronen der Zwetschgenbäume am Zaun hinweg sah sie auf die Rosensträucher, die schon dicke Hagebutten trugen. Ihr glänzendes Hellgrün war orange überhaucht. Langsam stieg Carla zur Terrasse hinauf und blieb neben Emil stehen, der Teller und Besteck auf einer langen Tafel verteilte. Veronika hatte vor einer halben Stunde Küchen- und Gartentisch nebeneinandergestellt und ein dunkelblaues Bettlaken darübergebreitet. In der Nacht war ein starkes Gewitter niedergegangen. Zwar hatte die Sonne den ganzen Tag über geschienen, doch nicht kräftig genug, um die Feuchtigkeit abzutrocknen, die in Gras und Bäumen hing. Alles strömte eine Kühle aus, die Emil frösteln ließ. »Der Sommer ist zu Ende«, sagte er und zeigte in den Garten. Die Äpfel saßen rot im Laub der Spalierbäume. Goldruten blühten auf der Mauer oberhalb der Terrasse, daneben ein paar riesige Sonnenblumen, die die schweren Köpfe mit den braunen, klebrigen Blütenständen zur Seite neigten. Im silbrigen Blattwerk der Lavendelbüsche zeigten sich gelbe Spitzen, ihre schmalen Blütenlanzetten waren nicht mehr tiefviolett, sondern graublau. Dazwischen flogen träge Hummeln und Wespen herum.
    »Ach, du kannst auch nur meckern! Hier sieht es jedenfalls richtig festlich aus. Wie schön, Peters alte Laternen! Wo kommen die denn her?« Carla zeigte auf die verblichenen Papierlampions mit lachenden Gesichtern, unförmige Gebilde aus bekleistertem Transparentpapier, mit Sternenmustern durchlöcherte Röhren aus Metallfolie. Alle baumelten an einem gelben Plastikstrick, der zwischen der Dachrinne des Bub-Hauses und dem mächtigen Lebensbaum am Ende der Terrasse gespannt war. Normalerweise trockneten Emil und Veronika dort im Sommer ihre Wäsche. Neben den sachte schaukelnden Laternen hing eine Lichterkette; sie endete auf der Fußmatte in einem Dreifachstecker. Ein Verlängerungskabel kroch weiter ins Haus hinein. Die staubigen roten, gelben und blauen Lämpchen waren noch nicht eingeschaltet.
    In der Nähe der Hollywoodschaukel flackerte ein Feuer. Daneben standen auf einem Küchenhocker mit Frischhaltefolie überspannte Teller voller Schweinehälse und sorgfältig eingekerbte, rote Würste. Carla musterte kopfschüttelnd Emils selbstgebaute Grillstelle: »Daß ihr euch nicht mal einen richtigen Grill anschafft! Das alte Ding, eine Schande! Dieses Ofengitter, völlig verrostet. Und die schwarzen Backsteine kenn ich jetzt fast dreißig Jahre!« Carla lachte kurz auf. Emil sah, daß sie ihre Plastiksandalen trug. Über das cremeweiße Sommerkleid war die rote Küchenschürze gebunden. Ihr Haar hatte sie locker zusammengedreht und am Hinterkopf festgesteckt. Emil kannte die silberne Spange nicht, sie war mit einem Schlangenornament verziert und sah teuer aus. Carla nahm Emil eine Papierserviette aus der Hand und schüttelte den Kopf. »Das sieht doch nach nichts aus, wenn du es einfach nur zusammenklappst.« Rasch knickte sie den blaßblauen Zellstoff über Eck, faltete die Endstücke nach oben, schlug dieses Quadrat zu einem Dreieck hoch, bog es rund und steckte die Enden hinten zusammen. Sie falzte den Knick mit den

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