Am Seidenen Faden
der Nacht wieder in Saras Zimmer gebracht hatte, dann kurz zurückgekommen war und mir einen Kuß auf die Stirn gegeben hatte, ehe sie sich in ihr eigenes Zimmer zurückzog. Sonst erinnerte ich mich an kaum etwas. Mein Hirn war wie betäubt.
Eine Stunde war nahtlos in die nächste übergegangen. Der Himmel war von Schwarz über Grau zu Blau geworden, ohne daß ich etwas dazu getan hatte. Ich war am Leben, bereit, einem neuen Tag ins Gesicht zu sehen.
»Warst du die ganze Nacht wach, Funny Face?« fragte Larry und setzte sich neben mich. Das Sofapolster gab unter seinem Gewicht nach, der Frottéstoff seines Bademantels berührte rauh meinen bloßen Arm.
Ich wandte mich ab, als könnte ich mich so dem Klang seiner Stimme entziehen. Die Last seiner Besorgnis fiel schwer in meinen Schoß, wie ein unerwünschtes Kind.
»Sara geht es bestimmt prächtig«, fuhr er fort. »Du kannst dich darauf verlassen, daß sie ausreichend geschlafen hat.«
»Das weiß ich.«
»Warum legst du dich jetzt nicht ein paar Stunden hin? Du wirst dich vielleicht selbst überraschen und einschlafen.«
»Ich mag keine Überraschungen«, entgegnete ich stur.
»Ach, du weißt genau, was ich meine.«
Ich nickte, ohne mich von der Stelle zu rühren.
»Wie kannst du überhaupt daran denken, dich auf eine Auseinandersetzung mit Sara einzulassen, wenn du zwei Nächte nicht geschlafen hast?«
»Keine Sorge, mir geht’s gut.«
»Bist du dir denn nun im klaren, wie du sie anpacken willst?«
»Du meinst, außer ihr den Kragen umzudrehen?« fragte ich, und er lächelte.
»Kragenumdrehen ist gut«, sagte er. Nun war es an mir zu lächeln. »Ich habe mir auch ein paar Gedanken gemacht«, fuhr er fort. »Wenn sie dich interessieren«, fügte er abwartend hinzu.
»Können wir darüber später sprechen?«
»Kannst du mir versprechen, daß du nichts unternimmst, bevor ich wieder zu Hause bin?«
»Wohin willst du?«
»Ich bin doch zum Golf verabredet. Punkt neun Uhr einundzwanzig muß ich am Abschlag sein.«
»Neun Uhr ein undzwanzig?«
»Ja, die Abschlagzeiten sind im Sieben-Minuten-Takt eingeteilt.«
Ich schüttelte wie verwundert den Kopf, obwohl es mir in Wirklichkeit völlig egal war. Aber es war einfacher – und weit weniger gefährlich -, über Golf zu sprechen als über unsere große Tochter.
»Ich muß nicht hin«, sagte Larry.
»Warum solltest du nicht zum Golf gehen?«
»Wenn du mich lieber zu Hause hättest …«
»Aber nein, wozu?«
»Es könnte ja sein, daß du Gesellschaft möchtest. Daß du nicht allein sein möchtest.«
»Ich bin nicht allein.«
»Daß du mich hier haben möchtest«, spezifizierte Larry.
Ich wandte mich ihm zu und versuchte zu lächeln. »Ich komm schon zurecht. Geh du nur. Sieh zu, daß du unter hundert bleibst.«
Er stand auf, ein wenig schwankend, als drückte sein Körper seine innere Unschlüssigkeit aus. »Ich müßte spätestens um zwei zurück sein. Vielleicht könnten wir dann ins Kino gehen.«
»Vielleicht«, sagte ich.
Er ging hinaus, um sich anzuziehen. Ich ging in die Küche und
machte eine große Kanne Kaffee. Eine Stunde später war ich bei meiner vierten Tasse, und Larry war auf dem Weg zum Golfplatz. Ich sah nach meiner Mutter und Michelle und stellte mit Erleichterung fest, daß beide noch fest schliefen. Vielleicht hat Larry recht, sagte ich mir und ging in mein Bett. Ich streckte mich aus und zog die Decke bis zum Kinn hinauf. Vielleicht würden einige Stunden Schlaf reichen, um die Relationen wiederherzustellen, auch wenn sie gewiß nicht mein Vertrauen wiederherstellen würden.
Aber die vier Tassen Kaffee taten ihre Wirkung. An Schlaf war überhaupt nicht zu denken. Nachdem ich mich eine halbe Stunde lang hin und her gewälzt, jede erdenkliche Lage ausprobiert und riesige Schafherden gezählt hatte, gab ich auf und ging unter die Dusche, die zwar äußere, aber nicht innere Reinigung brachte.
Larry kam kurz nach zwei nach Hause – mit einem Ergebnis von enttäuschenden 104 Schlägen – und fand mich an derselben Stelle vor, an der er mich zurückgelassen hatte.
»Ich weiß, daß du mal aufgestanden sein mußt, weil du was anderes anhast«, sagte er mit einem bedrückten Lächeln. »Hast du mal in der Zeitung nachgesehen?«
»Wieso? Was?«
»Na, was für Filme laufen.«
»Ich kann jetzt nicht ins Kino gehen.«
»Warum nicht?«
»Was soll ich mit Michelle und meiner Mutter tun?«
»Die kommen mit.«
»Und Sara?«
»Sie ist nicht eingeladen. Nun komm schon«, redete
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