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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Frauen auf.
    »Und stimmten die sichergestellten Spermaproben mit einer Colin Friendly entnommenen Probe überein?«
    »Ja, in vielen signifikanten Merkmalen.«
    Ich warf einen Blick auf Jo Lynn. Sie warf ihren Kopf in den Nacken, schlenkerte mit ihren Locken, tat so, als merkte sie nicht, daß ich sie ansah.
    Es folgte eine längere Diskussion der Methoden zur Analyse und Identifizierung von Sperma. Es hatte etwas mit Körpersekreten,
Blutgruppen und anderen Variablen, an die ich mich nicht mehr erinnern kann, zu tun. Diesen Variablen entsprechend bestand eine siebzigprozentige Wahrscheinlichkeit, daß Colin Friendly der Mann war, der diese Frauen vergewaltigt hatte.
    »Siebzig Prozent!« wiederholte Jo Lynn wegwerfend.
    Ähnlich verhielt es sich mit den Gebißabdrücken, die bei mehreren der Opfer gefunden waren. Man hatte einen Abdruck von Colin Friendlys Gebiß genommen. Er stimmte im wesentlichen – aber nicht eindeutig – mit den Malen an den Körpern der toten Frauen überein. Speichelspuren, die in den Verletzungen zurückgeblieben waren, wiesen auf den Angeklagten hin – jedoch wiederum nicht eindeutig. Dennoch, erklärte Dr. Ronald Loring, gebe es für ihn keinen Zweifel daran, daß Colin Friendly den toten Frauen die Bißverletzungen beigebracht hatte.
    Wie es denn mit jenen Toten stünde, die sich zum Zeitpunkt ihrer Auffindung bereits in einem Zustand der Verwesung befunden hätten, der sie völlig unkenntlich gemacht habe, von denen im wesentlichen nur noch ein Bündel Knochen vorhanden gewesen sei, fragte der Staatsanwalt. Wie der Arzt denn hätte feststellen können, daß diese Unglücklichen ermordet worden waren; wie er hätte bestimmen können, daß sie von Colin Friendly ermordet worden waren.
    Dr. Loring ließ sich darauf hin recht ausführlich über die Wunder der modernen forensischen Medizin aus, erklärte, daß die wissenschaftlichen Methoden mittlerweile so hoch entwickelt seien, daß man mit ihrer Hilfe häufig den genauen Zeitpunkt und die Todesursache präzise bestimmen könne. Er erläuterte detailliert die Methoden, die seine Abteilung angewendet hatte. Seine Stimme war ruhig, sein Vortrag trocken und sachlich. Ich sah, daß einige der Geschworenen das Interesse verloren. Ihre Augen wirkten glasig, einem Mann fielen die Augen ganz zu.
    »Nichts als Hokuspokus«, murmelte Jo Lynn.
    Abgesehen davon, fuhr Dr. Loring fort, hätten sich bei der Untersuchung der Verletzungen bestimmte Muster gezeigt, die den Angeklagten mit jedem einzelnen seiner Opfer verknüpften. Die
Geschworenen und das Publikum horchten plötzlich wieder auf. Die Frauen waren ausnahmslos brutal geschlagen worden, jede hatte ein gebrochenes Nasenbein. Die Brüste der Opfer waren von zahlreichen Messerstichen in Form einer horizontalen 8 umgeben; der Mörder hatte den Frauen die Bäuche aufgeschlitzt; er hatte sie wiederholt direkt ins Herz gestochen.
    Die dreizehn Frauen, deren Tod Colin Friendly zur Last gelegt wurde, waren von ein und derselben Person ermordet worden, schloß der Gerichtsmediziner. Und dieser Mann sei Colin Friendly.
    »So ein Quatsch«, bemerkte Jo Lynn.
    Ich konnte mich nicht zurückhalten. Wie ein ausgehungerter Fisch schnappte ich nach dem Köder. »Wie kannst du so was sagen? Hast du eigentlich überhaupt nichts von dem gehört, was Dr. Loring gerade erklärt hat?«
    »Ich hab gehört, daß er von siebzig Prozent sprach und nicht von hundert«, schnauzte sie zurück. »Ich habe ›wesentliche Übereinstimmung‹ gehört, aber nicht ›genaue Übereinstimmung‹. Das hat überhaupt nichts zu sagen«, schloß sie. »Warte nur, bis Mr. Armstrong sich den Burschen vorgeknöpft hat.«
    Ich war froh, daß der Richter die Verhandlung bis nach der Mittagspause vertagte. Colin Friendly stand auf, tauschte einige Worte mit seinen Anwälten und sah lächelnd zu Jo Lynn herüber, als man ihn aus dem Saal führte.
    »Laß dich nicht unterkriegen, Colin«, sagte Jo Lynn und unterstrich ihren Glauben an ihn mit einem Nicken.
    »Ich glaube, ich hab genug für heute«, sagte ich. »Wollen wir nicht Schluß machen?«
    Sie sah mich empört an. »Was ist los mit dir? Willst du nur, weil dein Freund nicht erschienen ist, deine Sachen packen und heimfahren?«
    »Sei nicht albern.«
    »Das ist heute schon das zweite Mal, daß du mich albern nennst. Ich bin nicht albern. Die Alberne bist du, einem Kerl nachzuschmachten, der dich vor dreißig Jahren abserviert hat.«
    Es kostete mich meine ganze Selbstbeherrschung,

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