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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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C«, schlug ich vor.
    Na bitte, da stand es, in Grün quer über die Seite gekritzelt, »Carrie«. Ein Nachname war nicht dabei. Vielleicht, dachte ich, wußte Sara ihn auch nicht.
    Wir gingen in unser Schlafzimmer und riefen Carrie an. Die Stimme, die sich endlich meldete, klang schlaftrunken und verraucht. Erst hörten wir nur ein unverständliches Murmeln, dann einen längeren Seufzer, schließlich ein Hallo.
    »Carrie?« sagte ich. Meine Stimme klang laut und fordernd, etwa so, als hätte ich meine Hände auf ihren Schultern und versuchte sie wachzurütteln. »Carrie, hier spricht Saras Mutter. Ist Sara bei dir?«
    Eine lange Pause. Dann: »Was?«
    »Ist Sara bei dir?«
    »Wer?«
    »Sara Sinclair«, rief ich ärgerlich. Das war offensichtlich reine Zeitverschwendung.
    »Nein, sie ist nicht hier.«
    »Weißt du, wo sie ist?«
    »Wie spät ist es überhaupt?«
    »Acht Uhr.«
    »Morgens?«
    Ich knallte den Hörer auf. »Sara ist nicht bei ihr.«

    Wir versuchten es noch bei sechs weiteren Namen, ehe wir aufgaben. Ich hatte die Hand schon auf dem Hörer, um die Polizei anzurufen, als das Telefon läutete.
    »Sara?« schrie ich beinahe.
    »Jo Lynn«, antwortete meine Schwester.
    Meine Schultern erschlafften; mein Kopf fiel nach vorn. Meine Schwester war die letzte, mit der ich jetzt reden wollte. »Jo Lynn, es tut mir leid, ich kann jetzt nicht sprechen. Sara ist gestern nacht nicht nach Hause gekommen …«
    »Nein, natürlich nicht«, unterbrach mich Jo Lynn. »Sie ist bei mir.«
    »Was?« schrie ich. »Sara ist bei Jo Lynn«, berichtete ich Larry hastig. Er schüttelte den Kopf und ließ sich aufs Bett fallen.
    »Das hättest du längst gewußt, wenn du dir die Mühe gemacht hättest, mich mal zurückzurufen.«
    »Was?«
    »Ich hab gestern abend zweimal bei euch angerufen.«
    »Aber von Sara hast du kein Wort gesagt.«
    »Ich hab angenommen, du würdest mich zurückrufen.«
    Ich wollte protestieren, ließ es dann aber bleiben. Die Hauptsache war, daß wir jetzt wußten, wo Sara war und daß ihr nichts passiert war. Ich war so froh und erleichtert, daß ich beinahe vergessen hätte, daß Sara die Schule geschwänzt hatte. Wie lange war sie schon bei meiner Schwester? fragte ich mich, von einer anderen Furcht gepackt. »Was tut sie denn bei dir?« Die Worte kamen mir nur langsam, beinahe widerstrebend über die Lippen.
    »Erst mußt du versprechen, daß du nicht böse wirst«, begann Jo Lynn, und sofort verkrampfte sich jeder Muskel in meinem Körper.
    «Sag mir jetzt bloß nicht, daß sie den ganzen Tag bei dir war.«
    »Es war sehr lehrreich für sie. Sie war noch nie vorher in einem Gerichtssaal gewesen. Das ist eigentlich eine Schande, wenn man sich’s überlegt. Ich meine, sie wird schließlich demnächst achtzehn.«
    Vorausgesetzt, sie lebt so lang, hätte ich beinahe gesagt, tat es
aber nicht. Es war ja nicht Sara, es war Jo Lynn, der ich am liebsten den Kragen umgedreht hätte.
    »Du hast sie zur Verhandlung mitgenommen?« sagte ich, während Larry ungläubig die Augen verdrehte.
    »Na ja, du wolltest ja nicht mitkommen.«
    Es war also meine Schuld. Beinahe hatte ich Angst, ein weiteres Wort zu sagen. »Hast du sie auch ins Gefängnis mitgenommen?«
    »Natürlich hab ich sie mitgenommen. Was hast du denn erwartet? Hätte ich sie mutterseelenallein mitten auf dem North Dixie Highway stehen lassen sollen? Das ist nicht gerade die beste Gegend, wie du weißt.«
    »Du hast sie zu deinem Rendezvous mit Colin Friendly mitgenommen?«
    »Nein, das natürlich nicht. Sie hat draußen gewartet. Warte nur, bis ich dir alles erzähle, Kate. Es war unglaublich.«
    »Du hast meine Tochter ins Gefängnis mitgenommen«, wiederholte ich wie betäubt.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie es da ist«, babbelte Jo Lynn, die offenbar keine Ahnung hatte, daß ich sie am liebsten umgebracht hätte. »Ich war richtig nervös, aber Sara war ganz toll. Sie hat mich zum Besucherparkplatz gelotst und hat mich beruhigt und hat mir gesagt, daß ich toll aussehe und so. Sie hat sich wie eine richtige Freundin verhalten.«
    »Sara ist nicht deine Freundin«, erinnerte ich sie. »Sie ist deine Nichte und halb so alt wie du.«
    »Was hat denn das Alter damit zu tun?« versetzte Jo Lynn gereizt. »Ehrlich, Kate, du hast einfach zu wenig Vertrauen zu deiner Tochter. Sie sagt, daß du sie ständig wie ein Kind behandelst, und damit hat sie recht.«
    »Ich behandle sie wie ein Kind, weil sie sich wie ein Kind benimmt.«
    »Du redest genau wie

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