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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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stellte mich aufatmend unter das heiße Wasser.
     
    »Entschuldigen Sie, darf ich bei Ihnen einmal telefonieren?« fragte ich, sobald wir das nagelneue, direkt am Golfplatz gelegene Haus unseres Gastgebers betreten hatten.
    »Aber natürlich.« Die verblüffte Gastgeberin, eine rundliche Brünette in Piratenhose, wies mir den Weg durch das riesige Wohnzimmer zur Küche. Larry und den Ausdruck, der sich, wie ich wußte, jetzt auf seinem Gesicht breitmachte, bewußt ignorierend, ging ich rasch über den marmorgefliesten Boden, nickte der Handvoll Gäste, die sich um den Flügel scharte, flüchtig zu und eilte um die breite Wendeltreppe herum zur Küche aus Stahl und Marmor im hinteren Teil des Hauses. Zwei Mädchen in
schwarzen Kleidern und weißen Schürzen, die gerade dabei waren, Kanapees zu belegen, starrten mich erstaunt an. Ebenso erstaunt war Michelle, als sie meine Stimme hörte.
    »Sara ist nicht da«, erklärte sie mir ungeduldig. Ich hatte sie von der Glotze weggeholt, wo gerade die hundertste Wiederholung von Roseanne lief. »Mach dir doch keine Sorgen um sie, Mama«, riet sie mir, bevor sie auflegte. »Ihr ist bestimmt nichts passiert. Laß dir von ihr nicht den Abend verderben.«
    Er ist schon verdorben, hätte ich beinahe gesagt. Dann reichte ich den Hörer einem der Mädchen, das mit ausgestreckter Hand wartete und ihn auflegte, als wäre mir nicht zuzutrauen, daß ich das selbst fertigbrächte. Und vielleicht war ich ja auch wirklich unfähig dazu, dachte ich, als ich mein Bild in der blitzenden Stahlumrandung des zweistöckigen Backrohrs erblickte. Ich sah aus wie eine Geistesgestörte, das Gesicht ärgerlich verzerrt, das Haar noch feucht von der Dusche und ohne Fasson. Wer ist denn das? fragte ich mich.
    Larry hatte wie ein ungeduldiger Vater neben mir gestanden und immer wieder auf die Uhr gesehen, während ich mich geschminkt und mit dem Reißverschluß meines schwarzen Cocktailkleides gekämpft hatte. »Die Haare trocknen doch im Wagen«, hatte er erklärt, als ich zum Fön gegriffen hatte. Er hatte ihn mir einfach aus der Hand genommen und wieder in die Schublade gelegt, ohne auf meine Proteste zu achten. »Du siehst gut aus«, versicherte er mir wiederholt, als wir im Wagen saßen. »Gut«, ein Wort, das ich nicht sonderlich ermutigend fand.
    Jedenfalls lang nicht in dem Maß wie das Wort »schön«, dachte ich, in Gedanken bei Robert. Ich wußte, daß er sich überhaupt nichts dabei denken würde, zu einem Abendessen mit einer kleinen Verspätung einzutreffen. Er hätte mir bestimmt die Zeit gelassen, die ich brauchte, um mich fertigzumachen, wahrscheinlich wäre er sogar zu mir unter die Dusche gekommen und hätte mit Vergnügen eine größere Verspätung in Kauf genommen. Oder vielleicht wären wir auch gar nicht zu dem Essen gegangen, träumte ich vor mich hin, als ich widerstrebend zu Larry zurückkehrte,
um mich mit den anderen Gästen bekanntmachen zu lassen, um die obligate Besichtigungstour durch das Haus anzutreten, das Larry gebaut hatte. »Wunderschön«, sagte ich. Und dann wieder: »Schön. Wirklich schön.«
    Wir hatten auf der Hinfahrt gestritten, und wir stritten auf der Rückfahrt. »Ich verstehe überhaupt nicht, wie du so unhöflich sein konntest«, sagte er, als wir die Donald Ross Road entlangrasten.
    »Ich war nicht unhöflich«, widersprach ich.
    »Du findest es nicht unhöflich, wenn man sich alle zehn Minuten davonmacht, um zu telefonieren?«
    »Ich hab genau dreimal telefoniert.«
    »Viermal.«
    »Also gut, viermal. Ich habe viermal telefoniert. Schuldig im Sinne der Anklage.« Sofort dachte ich an Colin Friendly und Jo Lynn. Michelle hatte mir erzählt, daß meine Schwester ein zweites Mal angerufen hatte. Ich wußte, ich würde sie am Morgen zurückrufen müssen, um mir die gruseligen Einzelheiten ihres Knastrendezvous anzuhören, ob ich wollte oder nicht.
    »Und was hast du damit erreicht?« beharrte Larry. »Nichts. Sara ist immer noch nicht zu Hause. Und soll ich dir mal was sagen? Sie wird auch nicht zu Hause sein, wenn wir kommen, und das ist wahrscheinlich gut so, denn sonst würde ich ihr eigenhändig den Hals umdrehen.«
    »Ich verstehe nicht, wie du so gleichgültig sein kannst«, entgegnete ich, Larrys Worte absichtlich falsch interpretierend. Aber ich war wütend, und es war einfacher, einen Streit mit Larry vom Zaun zu brechen – bei dem ich die Chance hatte zu gewinnen -, als zu warten und den Kampf mit Sara auszufechten, wo ich überhaupt keine

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