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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Geschmack.«
    »Keine Bilder von deinem Mann?« Roberts hellbraune Augen blitzten spitzbübisch.
    Ich trat zum Fenster und blickte auf den Ozean hinaus. Ich konnte nicht erkennen, wo der Himmel endete und das Wasser begann. Aber was spielte das schon für eine Rolle? Das breite Blau war wunderbar. »Nein«, antwortete ich und fragte mich gleichzeitig, was ich in Roberts Büro wirklich suchte. »Nein, keine Bilder von Larry.«
    Die Sprechanlage auf seinem Schreibtisch summte, und seine Sekretärin teilte ihm mit, daß ein Mr. Jack Peterson aus New York am Apparat sei. Robert entschuldigte sich, um das Gespräch entgegenzunehmen, und ich entschuldigte mich, um die Toilette aufzusuchen.
    Ich trat dicht vor den großen Spiegel. »Worauf läßt du dich da ein?« fragte ich mein Spiegelbild, während ich meine Wangen ein wenig rosiger tönte und mein Haar aufbauschte. Brauchst du denn so etwas gerade jetzt in deinem Leben? Selbst wenn es wirklich um eine Runkfunksendung gehen sollte, willst du das überhaupt?
    In Wahrheit wollte ich nichts weiter, als daß alles wieder seinen normalen Gang gehen würde. Ich wollte eine Tochter mit braunem Haar und einem guten Zeugnis haben, eine Schwester mit einer festen Anstellung und ohne Liebesleben, eine Mutter, die sich nicht benahm, als käme sie von einem anderen Stern.
    Wenigstens hatte ich sie überreden können, einen Arzt aufzusuchen. Das ist immerhin ein Trost, sagte ich mir, während ich mir die Lippen nachzog und sofort wieder an die magentaroten Lippenstiftflecken auf den Fingernägeln meiner Mutter dachte.
Zunächst hatte sie einen Arztbesuch abgelehnt, behauptete, sie sei oft genug zu Ärzten gelaufen; ich hatte deshalb so getan, als müßte ich selbst dringend einmal zu einer Untersuchung und wünschte mir dabei ihre moralische Unterstützung. »Aber natürlich, Kind«, hatte sie sogleich eingewilligt. Allerdings hatte ich erst in zwei Monaten einen Termin bekommen können.
    Vielleicht hat sich das Problem, welcher Art auch immer es war, bis dahin selbst gelöst, sagte ich mir. In zwei Monaten hatte meine Tochter vielleicht wieder ihre natürliche Haarfarbe, Colin Friendly wäre auf dem Weg zum elektrischen Stuhl und meine Mutter wieder sie selbst.
    Ich konnte nicht wissen, daß alles noch schlimmer werden würde.
    Aber vielleicht hatte ich doch so eine Ahnung. Vielleicht war das der Grund, weshalb ich beschloß, auf den von Robert vorgeschlagenen Rundgang durch den Sender zu verzichten, das Mittagessen mit ihm sausen zu lassen, die unausgegorene Idee, ein Radiostar zu werden, ad acta zu legen. Ich klatschte mir eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht, entschieden eine symbolische Geste der Reinigung, steckte mein Schminktäschchen wieder ein und marschierte wild entschlossen aus der Toilette.
    Robert wartete vor den Aufzügen auf mich. »Tut mir leid, daß wir gestört worden sind«, sagte er, nahm mich beim Ellbogen und führte mich über den Flur zum Büro des leitenden Direktors des Senders. »Ich kann’s kaum erwarten, mit dir anzugeben«, sagte er.
    Ich ließ mich widerstandslos durch ein Labyrinth von Büros führen, die das ganze zwölfte Stockwerk einnahmen, schüttelte diversen Abteilungsleitern und Bürokräften die Hände, sah mir die Aufnahmestudios eine Etage tiefer an, lernte die Ansager und Produzenten kennen, all die Leute, die zusammenarbeiten müssen, um eine Sendung zu machen. Ich muß zugeben, ich genoß das alles, die Atmosphäre, die Menschen, den Jargon, die Betriebsamkeit. Am meisten genoß ich es, Roberts Hand an meinem Ellbogen zu fühlen, während er mich von einem Raum in den nächsten führte, von einer unvertrauten Situation zur anderen,
von neuem Gesicht zu neuem Gesicht. Es war weniger die Berührung selbst als das, was sie symbolisierte: das Gefühl, sanft geführt zu werden, nur geschehen lassen zu müssen, das Wissen, daß ein anderer bestimmte, die Entscheidungen traf, führte. Daß ich nicht länger verantwortlich war.
    So willigte ich also ein, mich verführen zu lassen, wie ja eine Verführung stets der inneren Zustimmung bedarf, und machte mir, als wir den Sender verließen, um zum Mittagessen zu gehen, immer noch vor, Roberts Interesse an mir sei rein professioneller Art, ebenso wie mein Interesse an ihm lediglich auf berufliche Erweiterung abziele.
    Das war vor dem Mittagessen.
    Selbsttäuschung, Rationalisierung, Verleugnung – sie haben ihre Grenzen.

13
    »Jetzt verrat mir doch mal, was das Geheimnis einer glücklichen Ehe

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