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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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zog den Zettel aus meiner schwarzen Ledertasche.
    »Sie ist so ein komisches Mädchen«, meinte meine Mutter, und ich lachte, obwohl ich nicht recht wußte, warum.
    Michelles Weihnachtswunschzettel amüsierte mich jedes Jahr aufs neue. Jeder gewünschte Gegenstand war durch eine Zeichnung illustriert und mit genauen Angaben zu Größe, Preis und Geschäften, wo er zu kaufen war, versehen. Dazu gab es eine Präferenzlegende: Gelbe Unterstreichung hieß, das es schön wäre, diesen Wunsch erfüllt zu bekommen; ein Sternchen hieß, es wäre noch schöner, ein Pfeil bedeutete sehr schön, und Sternchen und Pfeil zusammen bedeuteten, eine Erfüllung dieses Wunsches wäre das Allerschönste.

    Bei Michelle wußte man immer genau, woran man war, dachte ich, mich an den Wunschzettel klammernd wie an eine Rettungsleine.
    Sara lehnte es natürlich ab, überhaupt eine Liste zu machen.
    Der Vormittag entwickelte sich dann doch noch recht angenehm. Meine Mutter benahm sich normal; es gelang uns, mehrere der Dinge, die Michelle auf ihrer Liste hatte, ohne größere Schwierigkeiten zu finden; meine Nervosität über das bevorstehende Zusammentreffen mit Robert legte sich. Ich hatte sogar ein paar Ideen für die Sendung, die ich jetzt im stillen schon »Meine Radiosendung« nannte. Die Verabredung zum Mittagessen war also ganz legitim, sagte ich mir beschwichtigend, als ich mit meiner Mutter über den Parkplatz zu einem kleinen Geschäft ging, das auf Golfzubehör spezialisiert war.
    Natürlich gab ich mich in bezug auf Robert den gleichen Selbsttäuschungen hin wie in bezug auf meine Mutter.
    »Ich suche Golfschläger für meinen Mann«, sagte ich zu dem jungen Verkäufer, der uns seine Hilfe anbot. »Was würden Sie mir empfehlen? Ich möchte etwas wirklich Gutes.« Schlechtes Gewissen, sagte ich mir, hat nichts damit zu tun, daß ich meinem Mann die besten Schläger kaufen wollte, die gegenwärtig auf dem Markt waren.
    »Tja, das kommt natürlich darauf an, was Sie brauchen«, sagte der junge Mann, während er uns voraus in den hinteren Teil des Ladens ging. »Aber wir haben hier etwas ganz Neues. Schauen Sie, diese Schläger sind einfach phantastisch.« Er zog einen langen Schläger mit einem harten hölzernen Kopf aus dem Köcher und begann mir von seinen besonderen Tugenden vorzuschwärmen, wobei er mit der Hand so zärtlich über die glatte Fläche strich, als handelte es sich um einen Frauenkörper. »Es ist eine perfekte Kombination aus Titan und Graphit. Für meine Begriffe«, schloß er, wobei er das Holz mit einem Eisen vertauschte, vermutlich in der Annahme, ich wüßte den Unterschied, »ist es das Beste, was derzeit auf dem Markt ist.«
    »Und wieviel kostet so eine Garnitur Schläger?« fragte ich.
    »Tja, lassen Sie mich rechnen«, begann er und ließ seinen Blick durch den Laden schweifen, als hätte er den Preis nicht schon im Kopf. Plötzlich riß er die Augen auf und schrie: »Um Gottes willen! Vorsicht!«
    Ich hörte das Schwirren des Golfschlägers, bevor ich sah, was geschah, spürte den Luftzug, als der Schläger an mir vorbeisauste und um höchstens zehn Zentimeter meinen Kopf verfehlte. Mehrere junge Männer erschienen plötzlich wie aus dem Nichts. Sie packten meine Mutter, als wollten sie sie niederringen, und rissen ihr den Golfschläger, den sie wie einen Baseballschläger schwang, aus den Händen.
    »Kate!« schrie sie entsetzt, als fremde Hände sie packten. »Hilf mir! Hilf mir doch!«
    »Lassen Sie sie!« brüllte ich. »Sie ist meine Mutter.« Verdutzt ließen die jungen Männer meine Mutter los. »Es ist nichts«, erklärte ich, ebenso verwirrt wie alle rundherum. »Sie wollte mir nichts antun.«
    »Dir etwas antun?« wimmerte meine Mutter, und ihr Kopf wackelte hin und her, als wäre er nur mit Drähten an ihrem Körper befestigt, so daß die lose Haut ihres Gesichts und ihres Halses zu schlottern begann. »Was redest du denn da? Ich würde dir doch niemals etwas antun. Ich wollte nur den Schläger ausprobieren. Weißt du, in der High-School war ich so eine gute Schlägerin. Die Beste im Team.«
    »Es ist schon okay, es ist alles in Ordnung«, versicherte ich der kleinen Gruppe, die sich um uns versammelt hatte. »Sie ist manchmal nur ein bißchen verwirrt, das ist alles. Wie geht es dir? Alles in Ordnung?« fragte ich sie.
    »Du weißt doch, daß ich dir niemals etwas antun würde«, beteuerte meine Mutter, als ich sie aus dem Geschäft führte.
    »Natürlich weiß ich das«, versicherte ich

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