Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
andere Bahnen zu lenken, auf eine sachliche Ebene zu verschieben, auf der ich mit sicherer beruflicher Distanz reagieren konnte.
    »Meinst du, das sollte ich tun?« fragte er.
    »Brauchst du es denn?« fragte ich zurück.
    »Du bist doch die Therapeutin. Sag du es mir.«
    »Ich denke, wenn du mit deiner Situation nicht glücklich bist, dann solltest du versuchen sie zu ändern.«
    »Das versuche ich ja«, gab er herausfordernd zurück.
    Ich schlug nervös ein Bein über das andere. »Du solltest mit deiner Frau darüber sprechen. Ihr sagen, wie du dich fühlst.«

    »Ja glaubst du denn, ich hätte das nicht schon getan?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Meine Frau ist der festen Überzeugung, daß dieser Teil ihres Lebens vorbei ist. Sie hat ihren Beitrag für die Nachwelt geleistet. Sie hat vier Kinder zur Welt gebracht. Jetzt wünscht sie sich nur noch gute Kameradschaft und ungestörten Schlaf.«
    »Vielleicht ist es eine körperliche Geschichte«, meinte ich. »Bei manchen Frauen läßt die Libido während des Klimakteriums nach.«
    »Ist es bei dir so?«
    »Wir sprechen nicht von mir.«
    »Ich würde aber lieber von dir sprechen.«
    »Hast du versucht, deine Frau ein bißchen zu umwerben? Mit ihr zum Abendessen auszugehen, zum Beispiel?« sagte ich. Oder zum Mittagessen, dachte ich, sagte es aber nicht. »Manchmal reichen ein paar liebevolle Worte. Versuch doch mal, ihr jeden Tag mindestens einmal etwas Nettes zu sagen. Du wirst sehen, das ändert alles.«
    »Du hast mich damals fast wahnsinnig gemacht«, sagte er, meine guten Ratschläge überhörend, als hätte ich gar nicht gesprochen. »Jedesmal, wenn ich mit dir aus war, mußte ich hinterher schnurstracks unter die kalte Dusche.«
    »Ich würde eher sagen, schnurstracks zu Sandra Lyons«, entgegnete ich. Ich erinnerte mich noch genau daran, wie verletzt ich gewesen war, als meine Freundin mir damals über seine Seitensprünge reinen Wein eingeschenkt hatte. Sogar jetzt tat es noch ein bißchen weh.
    Er machte ein überraschtes Gesicht.
    »Du dachtest wohl, ich hätte nichts von ihr gewußt?«
    »Jeder wußte von Sandra«, sagte er ruhig. Wie rasch er sich gefangen hatte. »Sie war doch das Mädchen, das alle kannten.«
    »Sie hat sich umgebracht, kurz nachdem du weggezogen bist.«
    Beinahe wäre ihm sein Weinglas entglitten. »Was?«
    Ich begann zu lachen, leise kichernd zuerst, dann laut und schallend. »Entschuldige«, sagte ich und lachte noch lauter.

    »Da lachst du?«
    »Das war frei erfunden. Entschuldige.«
    »Was war frei erfunden?«
    »Daß Sandra Lyons sich umgebracht hat. Es stimmt gar nicht.« Ich wollte jetzt gern aufhören zu lachen, aber ich konnte nicht. »Sie ist gesund und munter. Jedenfalls war sie es das letzte Mal, als ich sie gesehen habe. Ich weiß nicht – sie könnte natürlich inzwischen tot sein.« Mein Gelächter grenzte an Hysterie.
    Er starrte mich entsetzt an. »Warum hast du gesagt, sie hätte sich umgebracht?«
    »Ich weiß selbst nicht«, antwortete ich immer noch lachend, aber das war nur zum Teil wahr. Ich hatte ihn durcheinanderbringen wollen. Es war nicht fair, daß nur einer von uns wie ein zitterndes Nervenbündel hier saß.
    Er schüttelte den Kopf. »Du bist eine merkwürdige Frau, Kate Latimer.«
    »Sinclair«, korrigierte ich, und das Gelächter gefror mir plötzlich in der Kehle. Wie gehabt, dachte ich.
    »Sinclair, richtig. Sag mal, bekommt dein Mann diese Seite von dir oft zu sehen?«
    »Welche Seite meinst du?«
    »Diese verrückte, ziemlich sadistische Seite, die ich aus irgendeinem perversen Grund ungeheuer attraktiv finde.«
    Diesmal wollte ich gern lachen und konnte es nicht. »Er bekommt sie bestimmt öfter zu sehen, als ihm lieb ist.«
    Robert trank seinen Wein aus, schenkte sich noch etwas ein und ließ mich die ganze Zeit dabei nicht aus den Augen. »Dein Mann ist der einzige Mann, mit dem du je zusammen warst, stimmt’s?« sagte er.
    Ich fühlte mich plötzlich nackt, als hätte er über den Tisch gegriffen, mein Kleid aufgeknöpft und mein Innerstes bloßgelegt. Wahrscheinlich hätte ich ihm eine Ohrfeige geben sollen. Ganz bestimmt hätte ich aufstehen und gehen sollen. Mindestens hätte ich ihm sagen sollen, er solle jetzt endlich den Mund halten. Statt dessen fragte ich: »Wie kommst du darauf?«

    »Ich hab immer schon ein gutes Auge für Menschen gehabt.«
    »Meine Mutter sagt immer, mein Gesicht sei ein offenes Buch.«
    »Deine Mutter hat recht.«
    »Wo steht geschrieben, daß mein Mann mein

Weitere Kostenlose Bücher