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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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einziger Liebhaber war?«
    Robert streckte den Arm über den Tisch und zeichnete mit dem Zeigefinger die Linie meiner Lippen nach. »Genau da«, sagte er. Mich durchzuckte ein Schauder so stark wie ein elektrischer Schlag. »Bist du nie neugierig«, fragte er, »wie es mit einem anderen wäre?«
    O Gott, dachte ich, ich bin verloren. Wenn ich jetzt nicht einen Schlußpunkt setze, wenn ich ihm nicht sofort Einhalt gebiete, finde ich nie wieder zurück. »Nein«, log ich und schob meinen Stuhl ein wenig zurück, gerade so weit, daß er mich nicht mehr erreichen konnte. Seine Berührung lag noch auf meinen Lippen. Ich fühlte sie genau so, wie man angeblich das Vorhandensein eines kürzlich amputierten Gliedes fühlt. »Ich bin nicht neugierig.«
    »Bist du nie in Versuchung gekommen?«
    »Ich bin eine verheiratete Frau.«
    »Spielt das denn eine Rolle?«
    »Für mich schon.«
    »War dein Mann dir mal untreu?«
    »Nein.«
    »Du scheinst sehr sicher zu sein.«
    »Ich bin sehr sicher«, antwortete ich, und das stimmte. Es gab nicht mehr vieles, dessen ich sicher war, aber das wußte ich mit Gewißheit: Larry würde mich niemals betrügen. »Dieses Gespräch ist ziemlich gefährlich«, sagte ich schließlich.
    »Was ist daran gefährlich?«
    »Das hier. Was wir hier tun.«
    »Wir tun doch gar nichts.«
    »Doch.«
    »Was tun wir denn?«
    »Wir legen ein Fundament«, sagte ich, an Larry denkend.
    »Ein Fundament wofür?«

    »Das weißt du genau. Spiel nicht den Harmlosen.«
    »Sag es mir doch.«
    »Ich bin an einer Affäre nicht interessiert«, sagte ich und hoffte, es klänge überzeugend.
    »An einer Affäre? Du glaubst, ich suche eine Affäre?«
    »Ist es denn nicht so?« Hatte ich etwa alles falsch verstanden?
    »Ich hab dich nie vergessen, Kate«, sagte er mit einer Stimme so weich wie eine Decke, die mich einhüllen wollte. »Ich brauche dich nur anzusehen und habe das gleiche Kribbeln wie damals, als ich noch ein pickeliger Halbstarker war.«
    »Du hast überhaupt keine Pickel gehabt«, sagte ich.
    »Darum geht’s doch gar nicht.«
    »Ich weiß.«
    »Ich will dich, Kate«, sagte er. »Ich habe dich immer gewollt. Und ich glaube, daß du mich auch willst.«
    »Ich will vieles. Das heißt noch lange nicht, daß ich es bekomme. Und es heißt noch lange nicht, daß es gut für mich ist.«
    »Woher willst du das wissen, wenn du es nicht versuchst?«
    »Wozu es versuchen?«
    »Ich weiß es nicht.« Er wollte meine Hände fassen. Ich zog sie rasch weg und ließ sie auf meinen Schoß sinken. »Ich weiß nur, daß in meinem Leben etwas fehlt. Das ist schon sehr lange so. Ich dachte, ich hätte mich daran gewöhnt. Ich habe versucht, mir einzureden, daß ich ein reiches und erfülltes Leben habe, daß romantische Liebe etwas für Teenager sei – all das eben, was man sich sagt, um die Nacht zu überstehen. Aber an dem Tag, an dem ich dich im Gericht gesehen habe, war es wie weggeblasen. Plötzlich hast du wieder vor mir gestanden, genauso schön, wie ich dich in Erinnerung hatte. Und nicht nur schön, sondern witzig und gescheit und verdammt sexy. Es war ein Gefühl, als hätte ich meine Jugend wiedergefunden, nur noch besser. Wenn ich dich ansehe, habe ich das Gefühl, daß alles möglich ist. Es ist ein Gefühl, das ich völlig vergessen hatte. Und ich möchte es nicht wieder verlieren. Ich möchte dich nicht verlieren. Ich möchte mir dir zusammensein. Ist das so unrecht?«

    »Du lieber Gott«, sagte ich abwehrend, um mich nur ja nicht überwältigen zu lassen. »Das war ja die reinste Hymne.«
    »Es ist mein Ernst.«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Du brauchst gar nichts zu sagen. Denk einfach darüber nach.«
    »Es würde mir schwerfallen, es nicht zu tun«, erwiderte ich.
    Er lächelte, runzelte die Stirn, lächelte wieder und zog seine Hände zurück. Plötzlich stand er auf und hob willkommenheißend die Arme. Ich merkte, daß wir nicht mehr allein waren, daß jemand zu uns an den Tisch getreten war.
    »Was tust du denn hier?« Roberts Stimme klang, als wäre er hocherfreut über diese unerwartete Störung. Wie schnell er umschalten konnte! »Woher wußtest du, daß ich hier bin?«
    Die Stimme, die ihm antwortete, war weich und eindeutig weiblich. »Ich hab im Büro angerufen; deine Sekretärin hat mir gesagt, du würdest wahrscheinlich hier sein. Ich hoffe, ich störe nicht allzusehr.«
    Ich wußte natürlich, schon ehe ich mich umdrehte, daß es Roberts Frau war.
    »Im Gegenteil, es ist genau der

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