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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Jahren», verbesserte Dr. Edelstein. «Aber er ist nicht in der Synagoge gestorben . Wir haben ihn ins Krankenhaus gebracht; ich habe erst dort den Tod festgestellt.»
    «Solange es sich um einen natürlichen Tod handelt, spielt das alles sowieso keine Rolle. Aber wir haben es mit Mord zu tun. Und selbst wenn ein Rabbinergremium den Ort als zulässig erklärt – das ändert auch nichts an der Sache: Es ist und bleibt das Haus, in dem jemand umgebracht worden ist. Wer wird denn schon so einer Synagoge beitreten wollen? Also, offen gestanden – mir wäre auch nicht ganz geheuer bei der Vorstellung, dass der Junge vielleicht auf meinem Platz … Na, ist doch wahr!»
    «Wo stehen wir also?», fragte Paff.
    «Wieder am Anfang», sagte Kallen. Und dann hellte sich sein Gesicht auf. «Du hast dir das zwar nicht so vorgestellt, Meyer, aber im Endergebnis war es ein geschickter Schachzug, dass wir auf der letzten Sitzung den Mund gehalten haben: Wenn wir damals Krach geschlagen hätten, als Gorfinkle die Neuernennungen bekannt gab, müssten wir jetzt einen Rückzieher machen!»
    «Ja, eben», meinte Edelstein; «Irv hat ganz Recht. Wir stehen wieder dort, wo wir angefangen haben. Wir haben nie öffentlich erklärt, dass wir eine neue Synagoge gründen wollten. Wir haben auch nicht protestiert, als die neuen Kommissionen verlesen wurden; wir haben geschwiegen – und werden einfach weiter schweigen.»
    «Richtig.»
    «Was heißt hier richtig? Wie denkt ihr euch …»
    «Soll ich vielleicht stumm zusehen, wie uns die auf der Nase rumtanzen?», knurrte Paff.
    «Wir können ja im Vorstand gegen sie stimmen», sagte Edelstein.
    «Können wir. Aber es nützt nichts. Sie haben die Mehrheit.»
    «Glaubt ihr, dass sie den Rücktritt des Rabbi verlangen werden?», fragte Edelstein. «Ich finde, es wäre eine Gemeinheit – nach allem, was er jetzt für die Kinder getan hat.»
    «Wieso – was hat er denn getan?», fragte Arons. «Er hat Stu Gorfinkle und den jungen Jacobs überredet, der Polizei alles zu sagen … Ich persönlich halte das für richtig, wohlgemerkt; aber die meisten Eltern sind ziemlich sauer. Vor allem natürlich Gorfinkle und Jacobs … Nur gut, dass sie jetzt diesen Neger geschnappt haben.»
    «Du glaubst also, die Kündigung geht durch?», fragte Edelstein.
    «Eh … nein», meinte Arons zögernd. «Wahrscheinlich werden sie vorläufig nichts unternehmen. Solange der Fall nicht gelöst und der Rabbi mit dem Polizeichef so dick befreundet ist, wäre es eine Dummheit, ihn zu entlassen, nicht wahr? Nein, sie werden wohl einfach warten, bis sein Vertrag ausläuft, und ihn dann nicht mehr verlängern.»
    «Der muss ganz einfach verlängert werden – dafür werden wir schon sorgen!»
    Alle sahen Paff erstaunt an, und Arons sprach aus, was sie alle dachten:
    «Seit wann bist du so scharf auf den Rabbi?»
    «Bin ich gar nicht», knurrte Paff. «Mir geht’s um was ganz anderes … Ja, kapiert ihr denn nicht?»
    «Was gibt’s da viel zu kapieren? Sie werden ihn an die Luft setzen, und damit hat sich’s.»
    «O nein! Sie werden versuchen , ihn an die Luft zu setzen», korrigierte Paff. «Das ist nicht ganz das Gleiche.»
    «Aber sie haben doch die Mehrh…»
    «Ja», gab Paff zu, «im Vorstand haben sie die Mehrheit; das ist nicht zu ändern. Aber die Entscheidung, ob ein Rabbi nach immerhin sechs Dienstjahren entlassen werden soll, das ist nicht ausschließlich Sache des Vorstands. Das geht die ganze Gemeinde an … Ich weiß nicht, wie beliebt der Rabbi ist. Aber ich weiß, dass es den meisten Leuten viel schwerer fällt, jemand rauszuwerfen, als ihn zu behalten. Niemand schmeißt gern Leute raus.»
    «Na und?»
    «Und das ergibt am Ende so etwas wie ein Gleichgewicht der Kräfte, wenn es funktioniert, wenn der Rabbi bleibt … Wenn wir im Vorstand opponieren, überstimmen sie uns einfach. Aber wenn er opponiert, macht er meistens eine Prinzipienfrage daraus und verbeißt sich in religiöse oder rituell bedingte Argumente … Dann müssen die Gorfinkles entweder klein beigeben, oder sie müssen wieder versuchen, den Rabbi rauszuschmeißen. Das können sie aber nicht ohne Zustimmung der Gemeinde, und … Na, wie gehabt.»
    Edelstein lächelte. Kallen dachte nach, dann nickte er langsam. Und Arons sagte: «Nicht schlecht, Meyer … gar nicht schlecht!»
54
    Während der ganzen Woche wurde bei den Smalls emsig geputzt und gefegt – die üblichen Vorbereitungen für die Pessach- Woche. Der Rabbi legte überall mit Hand

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