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Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Titel: Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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sich alljährlich, dass alte Menschen zu wenig trinken und zu lange in der Sonne sitzen könnten. Der Sprung ins kalte Wasser wird allenfalls mit leerem Bauch empfohlen. Außer Mode gekommen ist das kühlende Wort Sommerfrische, das im 19. Jahrhundert die Mittelschicht aufs Land und reiche Leute in die Kurbäder trieb. Wer aber hat noch einen Onkel mit Bauernhof? Wer kennt noch Kühe, die glücklich auf satten Wiesen muhen, oder Hühner, die lebensfroh im Sande scharren?
    Und doch leidet der Mensch des 21. Jahrhunderts im Sommer nicht wirklich Not. Fürs Strandvergnügen braucht er weder nach Rimini noch nach Rügen zu reisen. Auch die Côte d’Azur ist überall, seitdem es vor allem in deutschen Großstädten Beachclubs auf Flachdächern gibt. Sie bieten Palmen im Wind, Sand im Bikini, Sonnenschirme und Sonnenbrand jeder Hautgefährdung. Das Paradies liegt eben um die Ecke ohne die üblichen Strapazen der Anreise. Selbst das Handtuch, um den Liegestuhl zu reservieren, auf dem man in Ruhe rösten möchte, wird gestellt. Am Abend verkohlen wir Würstchen auf dem Grill und halten Tomatenketchup für eine Kulturleistung. Herrchen erzählt seinem Hund, dass er Superman ist, und Romeo macht Julia weis, dass die Liebe ewig währt. Im Juli sind selbst Skeptiker zu überzeugen, dass das Paradies existiert. Doch Vorsicht: Der siebte Monat von den zwölfen spielt mit gezinkten Karten. Das halbe Jahr ist rum, die Tage werden wieder kürzer, und was eben noch Zukunft war, ist schon Vergangenheit. Glauben mag das keiner, doch es ist trotzdem wahr.

Auch Supermann legt sich auf die Couch
    Seit vier Tagen steht der Juli auf dem Kalender. Gekommen ist er mit Schmelzofenhitze und genug Sturm und Regen im Gepäck, um die breitesten Flüsse zu derangieren, Straßen und Marktplätze zu überfluten und aus den Kellern braver Bürger ein Meer von Verzweiflung zu machen. So war er immer, dieser Supermann, der siebte Monat von den zwölfen. Bei ihm ist Muskelkraft besser entwickelt als Hirn.
    Er lässt sich als Sonnengott und Sommerkönig feiern und pfeift auf leise Töne. Ihm reicht es, eine Krone aus Kornblumen auf dem Kopf und ein Bouquet von Mohn in der Hand zu tragen, die Kinder ins Schwimmbad zu locken und ihre Großmütter zum Becher mit Vanilleeis, doch trauen konnte man dem Burschen nie. Wird einer nach Julius Cäsar benannt, fühlt er sich auch verpflichtet, das große Donnerwort zu führen und nach Belieben Blitze zu schleudern.
    Spielverderber ist der launische Kerl aus Passion. Er hat es auf fröhliche Kinderfeste in Sommergärten abgesehen. Beim Grillabend ertränkt er unschuldige Bratwürstchen und den Senf gleich dazu, und in mondhellen Nächten grübelt er, wie die Träume von jungen Liebespaaren am schnellsten in Darlehensgesuche und Ehezwist umzuwandeln sind.
    Dennoch gebührt dem bösen Buben unsere Hochachtung. Keiner kennt bessere Tricks als er, um zu beweisen, dass das Leben eine Kette von Überraschungen bleibt. Der Juli macht aus Korn Brötchen und aus essigsauren Stachelbeeren zuckersüße Torten. Er lässt Kräuter wachsen, die schöne Geschichten von schlauen Frauen, klugen Weiblein und Wunderheilungen am laufenden Band erzählen. Meisterhaft beherrscht der wetterwendische Kerl die Kunst, griesgrämige Großstadtbewohner in frohe Nomaden zu verwandeln. Die ziehen dann aus, um das große Glück zu suchen. Die Gesegneten finden es sogar. Dann reiten sie bei Tag auf dem Rücken von geschmückten Seepferdchen ins Paradies, nachts holen sie die Sterne vom Himmel, und im August kommen sie verdrossen nach Hause und beschließen, in die Südsee auszuwandern.
    Spätestens dann legt sich auch der Juli auf die Couch. Er klagt, dass ihn Depressionen plagen, und behauptet, die Hälfte des Jahres wäre schon um. Wahrscheinlich verschreibt der Doktor seinem Patienten Malventee und Meditationsübungen im Morgentau. Ich würde zu einem Gedicht von Theodor Storm raten. »Ein Blatt aus sommerlichen Tagen«, schrieb der Meister, »ich nahm es so im Wandern mit. Auf dass es einst mir möge sagen, wie laut die Nachtigall geschlagen, wie grün der Wald, den ich durchschritt.«

Die Weltgeschichte hat mir die Mumps vermasselt
    Wenn keine besonderen Vorkommnisse zu vermelden waren, galt in meiner Kindheit mein körperliches Befinden nicht als ein Thema von allgemeinem Interesse. Wer auf einer Farm in Afrika aufwächst, lernt beizeiten, dass eine kalbende Kuh und die bevorstehende Flachsernte mehr Aufmerksamkeit bekommen als eine

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