Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Titel: Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
Vom Netzwerk:
Indien in den Kasten steckte. Sie zeigt einen Elefanten mit Krone, hat keine Briefmarke und wurde von mir unter einem Baum in Afrika gemalt und geschrieben. Ich war damals neun Jahre alt und träumte von einem Mann mit eigenem Schiff.

35 Schlafzimmer und fünf Nannies
    Neuerdings stelle ich mir öfters vor, ich würde in Nizza leben, wäre nicht ein Filmstar wie Angelina Jolie und hätte soeben ein Kind geboren. Vielleicht wäre ich eine Blumenfrau, oder ich würde auf dem Markt Kräuter der Provence verkaufen. Im Krankenhaus würden sich Ärzte und Schwestern nur insoweit für mich und mein Baby interessieren, wie es die Pflicht gebietet. Gleichgültig, ob das Schicksal dieses Kind dazu bestimmt hätte, die Welt aus den Angeln zu heben oder ein zweiter Mozart zu werden, mit den Zwillingen der schönen Angelina könnte es nicht konkurrieren. Wer außer der eigenen Familie findet schon Freude an einem alltäglichen blauäugigen Baby? Da sind Zwillinge, die schon im Mutterleib Karriere machten, eine ganz andere Sache. Kaum geboren, waren sie Ehrenbürger von Nizza – nur weil ihre Mama sich entschloss, an der Côte d’Azur zu entbinden statt wie beim letzten Mal in Namibia. So ist das mit der Chancengleichheit.
    Die gibt es nicht, Freunde! Auch nicht für Babys. Nun beschäftigt mich, was aus Kindern wird, deren Leben so verläuft, als wäre es eine Mischung aus Märchenschaum und Hollywoodfilm. 35 Schlafzimmer, fünf Nannies und einen Hubschrauber, der jederzeit zur Verfügung steht, gibt es in dem französischen Schloss, das Brad Pitt und Gattin für ihre drei Adoptivkinder und die drei selbst produzierten zur Heimat erkoren.
    Bekommen die Kids Goldbarren zur Belohnung, wenn sie brav ihren Brei essen? Macht ihnen einer weis, Sonne, Mond und Sterne gehörten ihnen? Ob sie es verkraften, wenn sie eines Tages merken, dass dies eine gemeine Lüge von Daddy war und dass er noch nicht einmal halb so gut wie Harry Potter zaubern oder eine sprechende Eule beschaffen kann? Ob Extremreichtum so gefährlich wie Extremsport ist? Ja! Dies zum Trost für alle Normalfrauen, die dabei sind, ein Kind zur Welt zu bringen. Es ist das schönste Baby auf der Welt und hat eine größere Chance auf den Haupttreffer in der Lebenslotterie als die armen, reichen Zwillinge von Nizza.

Designhotels und andere Ärgernisse
    Wenn Besuch kommt, nehme ich meinen Teddybär, der sonst im Wohnzimmer sitzt und von der guten alten Zeit schwadroniert, und stopfe ihn unter das erstbeste Sofakissen. Der Bursche mit zwei ungleichen Glasaugen (eines groß und grün, das andere klein und braun) feiert noch in diesem Jahr seinen 96. Geburtstag und wirkt doch recht hausbacken. Er ist nur ein kuscheliger Freund und absolut kein Designerstück. Sollen aber die Leute nicht vermuten, man wäre ein Mensch von gestern und schwärme für Häkeldeckchen auf dem Vertiko und Frikadellen in der Pfanne, ist Design auch auf den Nebenstrecken des Lebens angesagt.
    Ehe es in den Sprachbesitz fortschrittlicher deutscher Menschen geriet, war Design ein englisches Wort. Es stand für Skizze, Modell und Entwurf. Heute aber kann es uns passieren, dass eine Verkäuferin einen Kamm schwenkt, der auf den ersten Blick wie tausend andere aussieht, und dass sie schwärmt, das Design wäre außergewöhnlich. Und weil wir nicht als Banausen entlarvt werden möchten, kaufen wir den Kamm. Und begreifen spätestens auf dem Heimweg, dass wir in lausig hochstaplerischen Zeiten leben.
    Das Wort Design ist bestes Beispiel für solche Erkenntnis. Spielen Sie etwa immer noch Mensch ärgere dich nicht mit den farbigen Holzsteinen herkömmlicher Provenienz? Heute verweisen Spielsteine aus Silber, die entweder antiken Skulpturen oder abstrakten Kunstwerken nachempfunden sind, auf den Ästheten, der sich ständig auf die Suche nach dem Zeitgeist begibt. Lesezeichen mit hübschen Bildchen sind nicht mehr in, heute wird mit Bookmarks gelesen, auf denen Katzen grinsen oder Totenköpfe das Ende des guten Geschmacks verkünden. Sind eigentlich Farbsteine auf dem Handy oder herabbaumelnde kleine Ferkel aus lila Wolle modernes Design oder nur altmodisch albern?
    Das vermögen nur Kenner zu entscheiden. Vielleicht die Avantgarde, die in Designhotels wohnt, in denen bei Tag die Welt kalkweiß ist und abends der Mensch seine Seele in einer Oase von purpurnem Licht baumeln lässt. Das abgenutzte Wort von der baumelnden Seele wird von flügellosen Papageien auch in der neuen Designerwelt gebraucht. Zwei Dinge

Weitere Kostenlose Bücher