Am Strand des Todes
entschloß sie sich
mit einem Seufzer, das Ganze auf sich beruhen zu lassen.
Wuchtige, rustikale Töpfereien entsprachen ihrem Stil; im
übrigen gingen sie ihr leichter von der Hand – warum also ein
unnötiges Risiko eingehen? Sie strich sich eine lange, dunkle
Haarsträhne aus dem Gesicht und nahm die Vase vorsichtig
von der Scheibe.
Sie trat aus dem alten Werkzeugschuppen, den sie zu einer
improvisierten Töpferwerkstatt umfunktioniert hatten, und ging
zu ihrem Häuschen hinüber, um nach dem Brotteig zu sehen.
Rechts von ihr machte der Strand einen einladenden Bogen
nach Süden. Der weiße Sand glitzerte in der Sonne, und einen
Augenblick lang war sie versucht, der Verlockung zu folgen.
Vielleicht stieß sie sogar auf etwas, das sich in der Galerie
verkaufen ließ… Aber irgendwie schien es ihr nicht fair
gegenüber Glen, der sich noch immer mit Brettern und Stützen
herumschlug, die einfach nicht passen wollten. Eigentlich war
es komisch, dachte sie, denn sowie er seine Schnitzmesser in
der Hand hatte, konnte er mit Holz anfangen, was er wollte.
Wenn sie ehrlich war, hielt sie ihn sogar für einen besseren
Holzschnitzer als Maler, doch das würde sie ihm nie sagen.
Ging es aber um eine so simple Sache wie das Einpassen eines
Regals, hatte er zwei linke Hände. Sie sah die fertige Galerie
vor sich – und alle Regale hingen etwas schief. Doch das
würde überhaupt nichts ausmachen, dachte sie vor sich
hinlächelnd, denn bei seinem Sinn für ästhetische Wirkungen
würde die Galerie trotzdem ihren Charme haben.
Nach einem letzten sehnsüchtigen Blick über den Strand
betrat sie die Hütte. Als sie den müde auf dem Brett liegenden
Teig sah, der wieder einmal nicht aufgehen wollte, mußte sie
zugeben, daß auch sie nicht rundum perfekt war. Zumindest
nicht beim Brotbacken. In der vagen Hoffnung, doch noch
etwas bewirken zu können, stocherte sie mit dem Finger in der
weißen, trägen Masse herum. Doch daraus würde nie und
nimmer einer jener goldbraunen, knusprigen Laibe werden, wie
sie auf den Seiten der Frauenzeitschriften abgebildet waren…
Da ihr nichts Besseres einfiel, klatschte sie ihn trotzdem auf
ein Blech und schob ihn in den Ofen; vielleicht war das
Endprodukt doch noch genießbar.
Als sie gerade noch etwas Brennholz nachlegte, hörte sie
Robbys Stimme. Zunächst war sie sich nicht sicher, doch dann
wurde sie plötzlich von einem Gefühl der Panik ergriffen.
»Mami, Mami!« drang die Stimme ihres Sohnes immer
lauter werdend aus dem Gehölz.
Großer Gott, dachte Rebecca, beginnt jetzt alles wieder von
vorn? Hat er wieder irgend etwas in der Schule angestellt, und
sie haben ihn nach Hause geschickt, weil sie nicht mehr mit
ihm fertig werden? Was sollen wir bloß tun, wenn sie ihn auch
hier von der Schule verweisen? Erschrocken wurde ihr bewußt,
wie dicht unter der Oberfläche des Bewußtseins die alten
Ängste lauerten, jene Ängste, die so viele Jahre lang ihr Leben
verdüstert hatten. Und sie hatte gemeint, sie für immer
begraben zu haben… Seit sie hierhergekommen waren, schien
doch alles gut zu sein. Mühsam kämpfte sie um ihre Kontrolle.
Schon immer war es ihr schwergefallen, Robbys gewalttätigen
Ausbrüchen zu begegnen. Sie fühlte, wie das Entsetzen in ihr
wuchs. Großer Gott, warum war Glen nicht da!
»Mami!«
Rebecca stürzte aus der Hütte und sah Robby unter den
Bäumen erscheinen. Seine blutende Nase und die zerrissenen
Kleider steigerten ihre Panik. Er warf sich weinend in ihre
Arme und drückte sein Gesicht gegen ihren Leib.
»Ist ja schon gut«, versuchte sie ihn zu trösten, »ist ja schon
gut. Mami ist ja da, alles kommt wieder in Ordnung.« Großer
Gott, flehte sie in ihrem Innern, bitte hilf mir dabei…
Noch immer weinend, ließ sich Robby von ihr in die Hütte
führen, wo sie sanft sein Gesicht zu säubern begann. Erstaunt
sah sie, wie ruhig er alles mit sich geschehen ließ, und ein Teil
der ängstlichen Spannung fiel von ihr ab. Ganz offensichtlich
hatte er keinen seiner Anfälle – aber was war es dann? Wieso
kam er blutend und weinend nach Hause? Was war in der
Schule geschehen?
»Was war denn los, Robby?« fragte sie vorsichtig, als er
einigermaßen wiederhergestellt war.
»Ich hatte eine Prügelei«, erklärte Robby mürrisch.
»Eine Prügelei?«
Der Junge nickte.
»Und worum ging’s?«
»Um dich und Papi.«
»Um mich und Papi? Und worum genau?«
»Sie haben euch beschimpft und gesagt, wir wären besser
nicht hierhergekommen.« Er blickte flehend zu seiner
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