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Am Strand des Todes

Am Strand des Todes

Titel: Am Strand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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wir wissen. Es ist vorüber.«
»Es ist nicht vorüber«, widersprach Miriam mit sich
überschlagender Stimme, »ich weiß, daß es nicht vorüber ist.«
Einen Augenblick lang dachte Harney Whalen, sie würde
durchdrehen. Doch plötzlich wandte sie sich abrupt ab und
verließ sein Büro. Nachdenklich blickte er ihr nach. Er schien
noch in Gedanken versunken, als Chip Connor, sein
Stellvertreter, das Büro betrat.
»Was war denn los?« fragte Chip.
»Weiß ich auch nicht so genau«, antwortete Harney.
»Miriam glaubt offenbar nicht, daß die Sache mit Pete ein
Unfall war.«
Chip runzelte die Stirn. »Und was sollen wir ihrer Meinung
nach tun?«
»Ich hab’ keine Ahnung«, zuckte Whalen mit den Schultern,
»wir haben gestern alles getan, was wir konnten.« Er kratzte
sich am Kopf. »Sag mal, Chip, als ich gestern drunten am Kai
war, habe ich ein fremdes Paar gesehen. Sahen aus wie Leute
aus der Stadt.«
»Ja und?«
»Nichts, ja und«, reagierte Whalen gereizt. »Tu mir einen
Gefallen, Chip, geh rüber zum Gasthof und frag Merle, ob sie
noch da sind und falls ja, wie lange sie noch bleiben wollen.«
Chip warf ihm einen erstaunten Blick zu. »Was haben wir
damit zu tun?«
Harney Whalen funkelte seinen Stellvertreter wütend an.
»Wir hatten einen Toten, Chip, und es sind Fremde in der
Stadt. Denkst du nicht, daß wir herausfinden sollten, warum sie
hier sind?«
Chip Connor wollten eigentlich seinem Chef widersprechen,
aber ein Blick in dessen Gesicht ließ ihn sein Vorhaben
aufgeben. Wenn Harney Whalen die Kiefer auf diese Weise
zusammenpreßte, hatte es keinen Sinn, ihm zu widersprechen.
Obwohl er sich etwas seltsam in seiner Haut fühlte, machte
sich Chip Connor auf den Weg zum Harbor Inn.
5 »Morgen, Merle.«
    Obwohl Merle Glind die Stimme Chip Connors sofort
erkannte, zuckte er doch so sehr zusammen, daß die auf der
Spitze seiner kleinen Nase balancierende Brille mit den dicken
Gläsern in Gefahr war, herabzufallen. Hastig glättete die eine
Hand die spärlichen verbliebenen Haare, während er die
Verlegenheit über die eigene Nervosität mit einem breiten
Lächeln zu überspielen versuchte. Unglücklicherweise nur mit
geringem Erfolg, da das Lächeln zu einem krampfhaften
Zucken der dünnen Lippen mißriet. Geduldig wartete Chip, bis
der kuriose kleine Mann sich gefangen hatte.
    »Stimmt irgendwas nicht?« gelang es Merle schließlich zu
fragen, wobei seine Kaninchenaugen über die kleine
Eingangshalle huschten, als ob er erwartete, daß jeden
Augenblick unter seiner Nase ein Verbrechen geschehen
könnte.
    »Nichts, was Sie zu kümmern hätte«, versuchte Chip ihn zu
beruhigen. Solange sich Chip zurückerinnern konnte, war
Merle Glind so gewesen. Tag und Nacht hantierte er geschäftig
in seinem Gasthof herum, inspizierte die selten benutzten
Zimmer, als ob es sich um die Präsidentensuite eines Grand
Hotels handeln würde, überprüfte wieder und wieder die
Belege, um vielleicht einer Unterschlagung auf die Spur zu
kommen, und steckte jeden Augenblick die Nase in den
Schankraum, seine Haupteinkommensquelle, um die Gäste zu
zählen. Als Chip noch ein Junge war, hatte Merle sich immer
gefreut, ihn zu sehen. Doch seit er Stellvertreter Harney
Whalens geworden war vor drei Jahren, zeigte Merle
Anzeichen akuter Nervosität, wann immer Chip in der Harbor
Inn auftauchte. Vielleicht war es einfach ein natürliches
Mißtrauen der Polizei gegenüber, verstärkt durch Merles
angeborene Nervosität; andererseits kannte der Alte Chip
    Connor seit dem Tag seiner Geburt.
»Bei mir hier ist alles wie immer«, beeilte sich Merle, ihm
zu versichern, »nichts los hier, wie immer. Manchmal frage ich
mich, warum ich überhaupt noch aufsperre. Wahrscheinlich
nur, um mich selbst zu beschäftigen. Fünfunddreißig Jahre
stehe ich nun schon hier, und das wird so weitergehen, bis ich
sterbe.« Er ließ seinen Blick mit unverhülltem Stolz über die
makellos saubere Eingangshalle schweifen, und Chip fühlte
sich verpflichtet, ihm ein Kompliment zu machen.
»Ist wirklich alles prima in Schuß«, sagte er, »wer poliert
eigentlich die Spucknäpfe?«
»Ich natürlich«, erwiderte Merle prompt und zauberte eine
Flasche Metallpolitur unter dem Tresen hervor. »Das muß man
selbst machen – sie würden einem nur das Messing zerkratzen,
und nichts ist schlechter für ein Hotel als zerkratztes Messing.
Das und schmutziges Bettzeug. Aber ich darf mit Recht sagen,
daß ich in fünfunddreißig Jahren noch nie ein Zimmer ohne
frisches Bettzeug

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