Am Strand des Todes
es vermieten
möchte. Darüber müßten Sie schon selbst mit ihm sprechen.«
»Ist es im Augenblick bewohnt?« wollte Brad wissen.
»Soweit ich weiß, nicht. Auf jeden Fall hat Harney mir
nichts davon gesagt. Geht mich aber auch nichts an, stimmt’s?«
Brad ließ das Thema fallen, da er sicher war, aus dem alten
Knaben mehr sowieso nicht herauszubekommen. »Können Sie
uns irgend etwas zum Dinner empfehlen?« Merles Gesicht
strahlte zuvorkommend.
»Einfach hier durch die Tür, das beste Essen und Trinken in
der Stadt – und die frischesten Fische weit und breit. Der Koch
holt sie jeden Tag direkt von den Booten.« Als er sah, daß
Elaine die Tür zu dem leeren Speiseraum öffnete, fügte er
rasch hinzu: »Im Augenblick ist natürlich noch keiner da, aber
warten Sie nur noch ein bißchen. Dann ist alles brechend voll.
Brechend voll!«
»Vielleicht sollten wir dann besser reservieren?« meinte
Elaine.
»Oh, ist nicht nötig«, erwiderte Merle, »ist nicht nötig. Ich
werde Ihnen einen Tisch freihalten. Wann wollen Sie essen?«
»Sieben? Halb acht?«
Merle Glind machte sich hastig eine Notiz und lächelte
wieder zu den Randalls hoch. »Geht in Ordnung. Wird alles
bestens besorgt. Eine Reservierung ist nicht nötig – überlassen
Sie das ruhig mir.«
Zwei Minuten später warf sich Elaine auf das Bett in ihrem
Zimmer und brach in Lachen aus. »Nicht zu glauben«, prustete
sie, »einfach unglaublich, der schlägt sie alle! Weißt du was,
Brad, ich glaube, der weiß überhaupt nicht, was eine
Reservierung ist! Unglaublich!«
Brad legte sich neben sie und gab ihr einen zärtlichen Kuß.
»Also, was meinst du?« wollte er wissen.
»Ich meine, wir haben noch genügend Zeit bis zum
Abendessen«, erwiderte Elaine und begann sein Hemd
aufzuknöpfen.
Merle Glind wählte eine Nummer, während seine Augen
nervös die Treppe fixierten. Schon nach dem zweiten Klingeln
wurde abgehoben. Knapp informierte er Harney Whalen über
alles, was er über die Randalls herausgefunden hatte. Danach
blieb es kurze Zeit ruhig am anderen Ende der Leitung.
»So, sie wollen also eine Weile hierbleiben«, hörte man dann
den Polizeichef, »das werden wir in Ruhe abwarten, kann sein,
kann aber auch nicht sein. Danke, Merle, Sie waren mir eine
große Hilfe.«
Merle Glind legte zufrieden mit sich selbst den Hörer auf
und ging dann ins Speisezimmer, wo er auf einem der Tische
ein Kärtchen aufstellte. »Reserviert« stand darauf.
6
Harney Whalen warf einen Blick auf die Uhr, während er mit
den Fingern nervös auf der abgegriffenen Platte seines
Eichenschreibtisches trommelte. Dann trat er ans Fenster und
starrte auf die Straße hinaus, als ob Chip Connor dadurch auch
nur eine Minute früher erscheinen würde. Sein Stellvertreter
hatte sich verspätet, und das war ungewöhnlich. Und alles
Ungewöhnliche beunruhigte Harney Whalen. Vor allem, wenn
es sich so häufte, wie während dieser beiden Tage. Zuerst Pete
Shelling (ein bedauernswerter Unfall natürlich) und jetzt diese
Randalls, die Anstalten machten, sich in Clark’s Harbor
niederzulassen. Das war wirklich beunruhigend!
Harney musterte unbewußt das Spiegelbild seiner noch
immer recht stattlichen Gestalt im Fenster und tätschelte mit
der Rechten seinen muskulösen Bauch. Zurück am
Schreibtisch, vertiefte er sich noch einmal in das magere
Protokoll über Pete Shellings Tod. Er saß noch immer
mißmutig drüber, als Chip Connor endlich auftauchte.
»Dachte schon, du hättest den Abend freigenommen«,
knurrte Whalen zu Chip hoch.
»Hab’ nur rasch etwas gegessen«, verteidigte dieser sich
zurückhaltend. »Etwas Neues?«
»Nichts, außer daß Merle Glind mich angerufen hat.« Chips
Brauen hoben sich fragend, während er darauf wartete, daß
sein Boß ihn aufklären würde. »Sieht so aus, als ob sie sich hier
für eine Weile niederlassen wollten«, fuhr Harney fort.
»Sie?«
»Dieser Randall und seine Frau.«
Chips Gesicht verfinsterte sich. Das verhieß nichts Gutes.
Solange er Harn Whalen kannte, also sein ganzes Leben, hatte
dieser etwas gegen Fremde gehabt. Und sein Mißtrauen schien
noch über das der meisten Einheimischen hinauszugehen. Chip
fand das irgendwie sogar verständlich. Harn kannte jeden im
Städtchen
– er war mit der Hälfte von ihnen, Chip
eingeschlossen, auf irgendeine Weise verwandt
–, und das
machte seinen Job um vieles einfacher. Er wußte, wer die
Unruhestifter waren, wer gern einen über den Durst trank oder
andere kleine Laster hatte, und er wußte, wie
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