Am Strand des Todes
ich fühle mich dann immer so allein
gelassen. Ich wußte gar nicht, daß Sie die Shellings kannten…«
Es klang fast wie eine Frage.
»Wir kannten sie auch nicht gut«, erwiderte Glen, »ich
glaube, ich habe nie mit Pete Shelling ein Wort gewechselt,
aber ich traf seine Frau noch in der Nacht, als sie starb. Wir
dachten, wir wären es ihnen einfach schuldig.«
Lucas Pembroke war voller Mitgefühl, als er sich wieder an
Rebecca wandte. »Es war bestimmt nicht angenehm für Sie;
wenn es irgendwas gibt, was ich für Sie tun kann…?«
»Es geht mir schon wieder besser«, versicherte Rebecca,
»wirklich. Ihre Worte haben mir geholfen. Ich weiß, es klingt
seltsam, aber ich dachte, daß mein Hiersein mich endlich von
all den schmerzlichen Gedanken befreien könnte. Und ich
glaube sogar, daß ich recht hatte.«
»Ich würde mich freuen, Sie bald wiederzusehen«, erwiderte
Pembroke, »ich meine, im Gottesdienst. Das hier ist nicht
gerade eine große Gemeinde, und ich hasse es, vor leeren
Bänken zu predigen. Wahrscheinlich nagt das an meinem
Selbstbewußtsein«, scherzte er.
Die Palmers versprachen es ihm, aber er zweifelte sehr
daran. Wahrscheinlich litten auch sie an der Kälte dieser Stadt,
die auch ihm in der ersten Zeit hier entgegengeschlagen war,
und zogen es vor, für sich allein zu bleiben. Nachdem er sich
von ihnen verabschiedet hatte, wandte er sich den drei Fischern
zu.
Tad Corey, der jüngste von ihnen, gehörte zu den
regelmäßigen Gottesdienstbesuchern. »Tad«, begrüßte er ihn
herzlich, »ich freue mich, daß Sie gekommen sind, obwohl ich
ehrlich gesagt überrascht bin.«
»War nicht unbedingt meine Idee, Herr Pfarrer«, erwiderte
Corey jovial. »Ich hab’ Mac Riley gesagt, ich wüßte Besseres,
als den Tag in der Kirche zu vergeuden, aber er wollte nicht
auf mich hören.« Ein Zwinkern seiner Augen nahm dem
Gesagten jeden Anflug von Bösartigkeit. Mit einem Lächeln
wandte sich Lucas Pembroke dem ältesten Fischer zu.
»Sie sehe ich hier nicht sehr oft, Mr. Riley«, meinte er.
Der alte Mann, dessen Augen fast in den Falten seines
verwitterten Gesichts verborgen waren, schien ihn nicht zu
hören. Seine ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf
Missy und Robby, die ihn ihrerseits neugierig anstarrten. Es
war wie ein geheimnisvoller Gedankenaustausch zwischen dem
alten Mann und den Kindern, als ob sie sich an irgend etwas
Gemeinsames erinnerten, an dem sie die übrige Welt nicht
teilhaben lassen wollten.
Plötzlich schien der Alte aufzuwachen und lächelte den
Pfarrer an. »Das ist auch kein Wunder«, erklärte er mit heiserer
Stimme, »nachdem ich an die siebzig Jahre hier gefischt habe,
weiß ich auch so über viele Dinge Bescheid, Dinge, von denen
Sie wahrscheinlich keine Ahnung haben…«
»Nun, auf jeden Fall freue ich mich, daß Sie es heute
einrichten konnten«, erwiderte Pembroke etwas unsicher, da er
nicht verstand, was ihm der Alte andeuten wollte.
»Pete Shelling verstand sein Handwerk«, fuhr der alte Mann
fort, und Pembroke war froh, wieder Boden unter die Füße zu
bekommen. »Seine Frau habe ich kaum gekannt, Pete dafür um
so besser. Es ist ein Jammer, ein großer Jammer. «
»Nun, Unfälle passieren eben«, versuchte Pembroke zu
trösten.
»Das schon«, stimmte Riley zu, »aber selten in dieser
Häufung.« Er ließ den Pfarrer stehen und ging aus der Kirche.
Über die Schulter rief er seinen beiden Begleitern zu: »Was ist,
Jungs, wollt ihr hier Wurzeln schlagen?«
Tad Corey und Clem Ledbetter verabschiedeten sich hastig
von dem Pfarrer und eilten Riley nach. Lucas Pembroke räumte
die wenigen Gesangbücher weg und fragte sich, was er mit den
Blumen machen sollte, die er für den Gedenkgottesdienst
mitgebracht hatte. Vielleicht konnte man sie kommenden
Sonntag noch einmal verwenden? Doch diese Idee verwarf er
rasch wieder; die Leute von Clark’s Harbor hatten für
Dekoratives sowieso nicht viel übrig. Da war es viel sinnvoller,
sie nach Hoquiam zurückzunehmen und seiner Wirtin zu
verehren – vielleicht gab es dann endlich mal wieder ein
anständiges Abendessen.
Harney Whalen stapfte in sein Büro und warf sich auf seinen
Stuhl hinter dem Schreibtisch. Er begann mit Papieren zu
rascheln, aber so leicht war Chip Connor nicht zu täuschen. Er
wußte, daß sein Boß etwas auf dem Herzen hatte.
»Ziemlich still heute, nicht wahr?« meinte Whalen
schließlich.
»Keinerlei Vorkommnisse, alles ruhig«, bestätigte Chip. Er
überlegte einen Augenblick und warf dann einen
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